In den Jahren 1900 bis 1904 tritt Ferdinand Tönnies mit zahlreichen thematisch ganz unterschiedlichen Arbeiten an die Öffentlichkeit. Im Zentrum seines Interesses steht in dieser Zeit die soziale Entwicklung in Deutschland und die damit verbundenen Auseinandersetzungen mit den darin involvierten staatlichen Institutionen.

Wie auch in früheren Schriften vertritt er die Interessen der abhängig Beschäftigten. Anhand der von ihm benannten und mitbegründeten Soziographie gelingt es Tönnies nachdrücklich seine Thesen zu belegen und eindrucksvoll darzustellen. Insbesondere in seiner Schrift Politik und Moral benannte Tönnies einige Voraussetzungen einer spezifisch modernen Ethik. Sie müsse, so Tönnies, Egoismus und Vernunft, aber auch private und öffentliche Moral miteinander verbinden.

Der 'moralische Gerichtshof' - wie er es nannte - sollte für den Einzelnen sein aufgeklärtes, selbständiges Gewissen sein. Dieses werde geprägt durch das 'öffentliche Gewissen', das seinerseits wiederum auf der wissenschaftlichen Logik beruhen solle. Somit basierten bei Tönnies Individual- und Sozialethik auf einem aufgeklärten Rationalismus, der damit zum Garant für die Lösung der sozialen Frage gemacht wurde. Die in den Jahren 1900 bis 1904 entstandenen Schriften weisen bereits die Grundzüge der späteren großen Monographien von Ferdinand Tönnies auf.



Bärbel Carstens und Uwe Carstens, Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft e.V.,Kiel.

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