Lange Zeit wurde Literatur von Roma gar nicht oder wenn nach stereotypen Bewertungsmustern betrachtet. Der Band setzt es sich zum Ziel, die Literaturen der Roma erstmals einer genauen ästhetischen Betrachtung zu unterziehen und zu fragen, welche gemeinsamen Tendenzen beobachtet werden können. Viele Werke von Roma weisen einen performativen und/ oder hybriden Charakter auf. Die Präferenz für performative Erzählformen kann auf die lang gepflegten Traditionen der oralen Literatur (Legenden, Märchen, Magie) sowie des oral history-building (orale Weitergabe des kollektiven Gedächtnisses, von Gründungs- Herkunftsmythen sowie von Lebenserfahrungen zu Erhalt und Stärkung der Gruppenidentität) zurückgeführt werden. Musik und Tanz, identitätskonstituierende Elemente der Roma-Kulturen, deren performativer Charakter sich in diversen Formen von Intermedialität und Medienkombination niederschlägt, spielen fast durchgängig eine bedeutsame Rolle. Gleichzeitig spiegelt sich hierin auch der Trend, schriftliche Literatur neu (er)schaffen zu wollen. Auffällig dabei ist die Tendenz künstlerisch-ästhetische Traditionen der oralen Roma-Literatur mit Elementen der schriftlichen Mehrheitsliteratur zu verschmelzen. Wie bei allen sich allmählich etablierenden kleinen Literaturen lassen sich in ästhetischer Hinsicht unterschiedliche Phasen des literarischen Selbstausdrucks beobachten, die freilich als dynamisch und ineinander verwoben zu betrachten sind. Von autobiographischen und autofiktionalen Texten, zu realistischen oder magisch-realistischen Texten bis zur modernen Ästhetik kleiner Literaturen, ausdrücklicher Abgrenzungsästhetik sowie der Exploration neuer Formen lässt sich hier der Bogen spannen. Mit Beiträgen von Thomas A. Acton, Pascale Auraix-Jonchière, Sidonia Bauer, Julia Blandfort, Klaus-Michael Bogdal, Beate Eder-Jordan, Claudia Hattendorff, Florian Homann, Jean-Pierre Liégeois, Bim Mason, Voria Stefanovsky, Paola Toninato

Die Herausgeberinnen: Marina Ortrud M. Hertrampf ist Professorin für Romanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Passau. Forschungsschwerpunkte: Raumtheorien, Intermedialität, Comic/graphic novel, Transkulturalität, Migration, Roma-Literaturen/Kulturen, Literatur der Reformationszeit, des Ersten Weltkriegs und der Gegenwart. Kirsten von Hagen ist seit 2013 Professorin für Französische und Spanische Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Gießen. Interkulturalitätsforschung, insbesondere die Erforschung inszenierter Identität und Alterität am Beispiel von Zigeunerfiguren zählt zu ihren zentralen Forschungsschwerpunkten.

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Selbst- und Fremdbilder von Roma in Comic und Graphic Novel Marina Ortrud M. Hertrampf, Kirsten von Hagen

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