Alle Pferde des Königs

Gilles und Geneviève sind ein Paar und lieben beide Carole, die vor allem Gilles liebt, während Geneviève sich mit Bernard tröstet ... Inspiriert vom pseudo-skandalösen Erfolg von Roger Vadims Verfilmung der Liaisons dangereuses von Choder los de Laclos sowie vom Bestseller Bonjour Tristesse der jungen Françoise Sagan, persifliert Michèle Bernstein in ihrem Debütroman von 1960 sowohl de Laclos als auch Sagan. Das war auf mehreren Ebenen ein Erfolg: als Geldquelle für die radikalste, aber mittellose Avantgarde ihrer Zeit, die Situationisten. In der literarischen Welt provozierte die 28-jährige selbstbewusste Autorin einen Skandal - ihr eigentlich als Witz gemeinter Roman zielte gegen die zeitgenössische französische Literatur und den psychologischen Roman, den die Situationisten verachteten. Und schließlich gibt der Roman auch einen spielerischen Einblick in das Privatleben der Pariser Situationisten. Denn Geneviève ist ein nur flüchtig kaschiertes Alter Ego von Michèle Bernstein selbst, und ihr Mann Gilles ist unschwer als Guy Debord zu erkennen. Alle Pferde des Königs ist ein flirrendes, höchst unterhaltsames und enthüllendes Dokument der Pariser Außenseiter der 50er Jahre.

Michèle Bernstein wurde 1932 in Paris geboren, studierte an der Sorbonne und traf ab 1952 in der Bar 'Moineau' auf die Mitglieder der Lettristen und späteren Situationisten. 1954 heiratete sie Guy Debord und veröffentlichte Texte in Potlatch und der Internationale Situationniste. 1960 erschien Alle Pferde des Königs, 1961 gefolgt von La Nuit, der genau die gleiche Geschichte wie Alle Pferde des Königs erzählt, allerdings mit Stilmitteln des Nouveau Roman. Offiziell trat Bernstein 1967 aus der SI aus; sie und Guy Debord wurden 1972 geschieden, im selben Jahr heiratete dieser Alice Becker-Ho. Michèle Bernstein heiratete einige Jahre später den englischen Situationisten Ralph Rumney und lebte ab 1982 in England, heute wieder in Paris.