Altersunterschied in der Ehe bei Niklas von Wyle. Vergleich der Diskurse aus dem Spätmittelalter und von heute

Essay aus dem Jahr 2022 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 2,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Sprache: Deutsch, Abstract: Wie hat sich das Bild der Ehe über die Jahre gewandelt und welche Argumente für und gegen eine Heirat mit großem Altersunterschied ergeben sich daraus? Dies soll in diesem Essay anhand der Sechsten Translatze von Niklas von Wyle dargelegt werden. Die Ehe, ein Konstrukt, das seit Jahrtausenden aufrechterhalten wird. Dabei hat sich die Definition über diese lange Zeit mehrfach geändert. Im Mittelalter wurde die Ehe im Wesentlichen aus wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gründen geschlossen. Romantische Liebe, wie wir sie seit dem 20. Jahrhundert verstehen, existierte zu jener Zeit nicht, zumindest nicht formal. Ein damit einhergehendes Thema, welches bis heute umstritten ist, ist der Altersunterschied in einer Partnerschaft oder Ehe. Dieser Topos fand bereits in der Literatur der Antike, später dann in der Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit weite Verbreitung. Niklas von Wyle behandelt in seiner Sechsten Translatze die Frage, ob ein alter Mann eine junge Frau heiraten sollte. Dabei beruft er sich auf eine Dialogschrift von einem der namhaftesten Humanisten der italie-nischen Renaissance: Poggio Bracciolini. 1463 übersetzte Niklas von Wyle (1415-1479) diesen Dialog in einem Brief an seinen Vetter Heinrich Effinger ins Deutsche. Sein Vetter sollte daraus entnehmen können, ob und wenn, welche Frau zu nehmen sei, und vor allem wie eine junge Frau von ihrem älteren Mann erzogen und unterwiesen werden sollte. Über 550 Jahre später ist die Diskussion rund um den Altersunterschied in einer Partnerschaft oder Ehe immer noch aktuell. Auch heutzutage ist dieses Thema sehr umstritten.