Anleitung zum Biegen und Brechen der Sprache

Fachbuch aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Didaktik für das Fach Deutsch - Grammatik, Stil, Arbeitstechnik, , Sprache: Deutsch, Abstract: Wir unterhalten uns, wir reden miteinander. Daß wir uns dabei verstehen, ist erstaunlich, das sollten wir uns mal bewußt machen: Viele Wörter haben nämlich gar keinen Sinn, bei genauerer Betrachtung, jedenfalls nicht den, den wir kennen. Das fängt in dieser Sammlung gleich mit dem Vorwort an: Ein Wort ist nun wirklich nur ein Wort. Es müßte Vorworte oder Vorwörter heißen. Mal gibt es Wörter im Überfluß, mal herrscht Mangel. Durch vermeintliche Regelwerke gezogen, dürfte es manches Wort gar nicht geben, jedenfalls nicht so. Sprache wird gesprochen, nicht gespracht, müßte demnach Sproche heißen - oder Spreche, weil wir sie sprechen. Der Anrufbeantworter beantwortet Anrufe nicht, er nimmt sie entgegen. Der Fernseher sieht nichts, er bildet ab. Der Aschenbecher ist kein Becher, sondern ein Schälchen. Die Kartoffel müßte geschalt werden, nicht geschält, sie hat keine Schäle. In genau 79 Fällen sprechen wir Zahlen numerisch falsch herum. Dem Schluckauf fehlt sein Verb, obwohl man bei diesem Leiden definitiv etwas tut. Rohr und Röhre unterscheiden sich nicht, aber welches Wort ist zuviel? Solche Beispiele sind hier gesammelt, dabei geht es aber nicht um Besserwissenschaft. Mein Interesse gilt keiner Korrektur. Der Sprache soll nicht zu - vermeintlicher - Genauigkeit ver-holfen werden. Eher soll denen geholfen werden, die auf diese Genauigkeit vertrauen: Es gibt sie nicht. Sprache ist nicht geradlinig und genau. Bücher, von denen wir annehmen, wir hätten sie dort nachzuschlagen, gaukeln uns das bloß vor. Dabei ist der Begriff Rechtschreibung schon falsch, es gibt nämlich gar kein Recht auf Schreibweisen. Man kann niemanden, der etwas falsch geschrieben hätte, verklagen. Sprache ist gebogen und gebrochen. Und Sprache machen wir uns erst zu eigen, wenn wir sie biegen und brechen. Sprache ist nicht Pflicht, sondern Kür. Daß die Sache durchaus einen kleinen Haken hat, ist mir bewußt: Man muß die Sprache zunächst einigermaßen gut beherrschen, um dann lustvoll mit ihr richtigfalsch umzugehen. Man muß sehr scharf hinsehen, um dann augenzinkernd vorbeizugucken oder ein Auge zuzudrücken ...

Iven Einszehn lebt als Autor und Künstler in Hamburg. Er hat mehrere experimentelle Gedichtbände und ungezählte Zeitschriften- und Buchbeiträge veröffentlicht, außerdem rund 250 Hörfunk- und Sketchproduktionen und 9 Kurzfilme. Unregelmäßig schreibt Einszehn satirische Kolumnen zu Politik, Kultur und Zeitgeschehen in diversen Zeitungen. Er wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. Hamburger Literaturpreis 1993 und Hörfunkpreis zum Europäischen Jahr gegen Rassismus 1998. Als Autor entzieht Einszehn sich den branchenüblichen Schubladen. Er arbeitet thematisch, schreibt ein Buch genau einmal, wendet sich dann einem neuen Arbeitsbereich zu. Nach einem Roman gibt es keinen zweiten; nach einem Krimi mutiert Einszehn nicht zum Krimiautor. Sprache und Ausdrucksformen paßt Einszehn dem jeweiligen Sujet an und gelangt so nicht selten zu verspielten, sprachverliebten und experimentellen Ansätzen, die Lesegewohnheiten und Literaturgrenzen überschreiten ... Als Künstler näht Einszehn Möbel und Objekte aus Treibholz. Letzte Ausstellungen: Museum Abtei Liesborn; Anthroposophische Gesellschaft Kassel und Mystique Magdeburg. Letzte Veröffentlichungen: Schwurbel 1706 (Juni 13) ISBN 978-3-7322-4141-5 Erzählen Sie nur irgendwas davon, ohne im Irrenhaus zu landen Phantastische Erzählungen (Juni 13) ISBN 978-3-7322-4093-7 Ich hab leise gespült, weil die Nachbarn schlafen Eine Kindheit in Miniaturen und Geschichten ISBN 978-3-7322-3791-3 Wenn der Wellensittich sich an den Gitterstäben selbst befriedigt kommen mir Zweifel Gehirngeschredderte Gedichte ISBN 978-3-7322-3522-3 Auf dem Parnass der Schuhe Literarische Reportage ISBN 978-3-8476-3251-1

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