Auf der Suche nach dem Wesen des Judentums.

Im rechts- und sozialwissenschaftlichen Diskurs der Weimarer Republik war Ludwig Feuchtwanger als Lektor und Syndikus des Verlages Duncker & Humblot ein zentraler Akteur. Ab 1928 trat er aus der Reserve des Verlegers heraus und wurde bis zu seiner Emigration, nach der 'Reichskristallnacht' und einigen Wochen Internierung im KZ Dachau, einer der wichtigsten Autoren der Selbstbesinnung des deutschen Judentums der Zwischenkriegszeit. Die Trilogie der Wiedererinnerung seiner kritischen Diagnose der 'deutsch-jüdischen Symbiose' und Suche nach dem 'Wesen des Judentums' begann 2003 mit einem Band 'Gesammelter Aufsätze zur jüdischen Geschichte'. 2007 folgte der Briefwechsel mit dem antipodischen Hausautor und freund-feindlichen Gegenspieler Carl Schmitt. Mit dem vorliegenden Band geistesgeschichtlicher Diagnosen und grundlegender Beiträge zur Lage des deutschen Judentums liegt nun Feuchtwangers groß gedachtes Mosaik der 'Konstruktion' einer jüdischen Geschichte in den Grundzügen vor. Feuchtwanger hatte eine klare Gesamtvision vom geschichtlichen 'Wesen' des Judentums. Seine grundsätzlichen Beiträge zielten unter dem Eindruck von Franz Rosenzweig und Martin Buber auf eine historische Synthese und neue 'Konstruktion' der jüdischen Geschichte. Der vorliegende Band dokumentiert die geistesgeschichtliche Gesamtsicht vom Scheitern der 'deutsch-jüdischen Symbiose' und die theoretische Grundlegung des geschichtlichen 'Wesens des Judentums'. Feuchtwanger vertrat keine orthodoxen, prämodernen oder kulturkonservativen Positionen. Es war nicht zuletzt seine politische Sicht des modernen Antisemitismus, die ihn zur Parteinahme zwang. Seine Gesamtsicht vom Weg des deutschen Judentums konnte Feuchtwanger bis Kriegsbeginn nur in programmatischen Aufsätzen, Artikeln und Rezensionsminiaturen formulieren. Seine Beiträge heben die tagespolitischen Fragen aus der Polemik in den wissenschaftlichen Diskurs und beeindrucken durch ihr sachliches Ethos und ihre strenge, grundsätzliche Linienführung. Es gibt kaum ein besseres Brennglas und Entrée in die dramatischen Debatten um die Lage des deutschen Judentums vor und nach 1933 als die unerbittlich scharfen und redlichen Pathogenesen Ludwig Feuchtwangers. Die Absicht unserer Edition ist erfüllt, wenn seine Gesamtsicht in den Stücken und Bruchstücken seiner für Tag und Mitwelt geschriebenen Publizistik durchsichtig wird. Reinhard Mehring / Rolf Rieß

Im rechts- und sozialwissenschaftlichen Diskurs der Weimarer Republik war Ludwig Feuchtwanger (1887-1947) als Lektor und Syndikus des Verlages Duncker & Humblot ein zentraler Akteur. Ab 1928 trat er aus der Reserve des Verlegers heraus und wurde bis zu seiner Emigration, nach der »Reichskristallnacht« und einigen Wochen Internierung im KZ Dachau, einer der wichtigsten Autoren der Selbstbesinnung des deutschen Judentums der Zwischenkriegszeit.

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