Internationale Politik folgt eigenen Spielregeln. Autokratien spielen - in den vergangenen Jahren sogar vermehrt - mit. Ein Machtvakuum ist in der internationalen Politik nicht vorgesehen, Macht ist nie 'weg', sondern Machthohlräume werden von anderen gefüllt. Beispiele sind Russlands Rolle in Syrien oder der Einfluss Chinas auf die Globalisierung. Zugleich gehört es zu den gesicherten Erkenntnissen der Politikwissenschaft, dass die innere Verfasstheit von politischen Systemen auch für die internationale Politik von Bedeutung ist. Einerseits ist das außenpolitische Verhalten einer Regierung maßgeblich vom Charakter des Herrschaftssystems im Inneren bestimmt, andererseits sind die Auswirkungen problematischer innenpolitischer Entwicklungen oftmals auch im regionalen Umfeld oder gar im gesamten internationalen System spürbar. Daher kann es für die Stabilität und die Berechenbarkeit internationaler Politik nicht unerheblich sein, wie Staaten im Inneren verfasst sind und regiert werden. Ein politisches System ist dann als Demokratie zu bezeichnen, wenn konkurrierende Akteure ihre Normen und Interessen innerhalb klarer Regeln durchzusetzen versuchen, der Ausgang der politischen Konkurrenz unsicher ist und alle Entscheidungen der politischen Repräsentanten regelmäßig vor den Staatsbürgern und der Öff entlichkeit zu verantworten sind. In autokratischen Systemen sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Allerdings befinden sich zahlreiche Systeme in einer Grauzone zwischen Demokratie und Diktatur. Die Autokratieforschung hat dafür Begriffe wie 'defekte Demokratie(n)' oder 'hybride Regime' entwickelt. Feiern Autokratien also derzeit tatsächlich ein Comeback in der internationalen Politik und üben sogar wachsende internationale Anziehungskraft aus? Gibt es mithin keine 'internationale Gemeinschaft' mehr, sondern eine globale Spaltung zwischen dem 'Club der Autokraten' und der 'Achse der Demokratien'? Muss das demokratische Lager den Anspruch aufgeben, internationale Politik zu bestimmen und autokratische Systeme einzudämmen? Ist also Realpolitik angesagt und sollten oder müssen wir uns mit Autokraten arrangieren? Der Frage, ob Autokratie das neue ¸Betriebssystem der internationalen Politik' ist, widmet sich 'Politikum' in diesem Heft. Es will Schneisen in den Dschungel der Begrifflichkeiten und Konzepte schlagen, das Thema Menschenrechte und Geschlechterrollen thematisieren, anhand von Fallbeispielen - auch mit historischem Zugriff - Autokratieprävention versuchen sowie Konsequenzen für die politische Bildung ausloten.

Dr. Ya?ar Aydin lehrt an der Evangelischen Hochschule Hamburg, publiziert u.a. in Der Freitag und Vorwärts.de und ist Autor des 2017 erschienenen Buches 'Türkei' in der Reihe 'Analyse Politischer Systeme' im Wochenschau Verlag. Simon Ernst ist Volkswirt mit Lateinamerika-Schwerpunkt und promoviert an der Universität Köln zum Thema: 'Erdölsouveränität. Bilanz und Perspektiven der venezolanischen Erdölpolitik'. Er ist Stipendiat der Rosa Luxemburg Stiftung. Dr. Rolf Frankenberger ist Akademischer Rat am Institut für Politikwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen. PD Dr. Michael Krennerich lehrt Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg und ist leitender Herausgeber der 'Zeitschrift für Menschenrechte'. Prof. Dr. Peter Massing war Professor für Didaktik der Politik an der Freien Universität Berlin und ist Mitherausgeber von POLITIKUM. Dr. Stefan Meister leitet das Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und zählt zu den führenden deutschen Russlandexperten. Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Heinz Paqué war u. a. Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt und ist seit 1996 Professor für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt internationale Wirtschaft an der der Otto-von- Guericke-Universität Magdeburg. Seit 2014 ist er stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Dr. Silke Schneider ist wissenschaftliche Online-Tutorin an der FernUniversität in Hagen, sie lehrt an der Evangelischen Hochschule Berlin und ist Mitherausgeberin der 'Femina Politica'. Botschafter a.D. Dr. Volker Stanzel war Politischer Direktor des Auswärtigen Amtes sowie deutscher Botschafter in Peking und in Tokio. Er ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dr. Christian Stock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft und Japanologie an der Universität Halle-Wittenberg. Prof. Dr. Siegfried Weichlein ist Professor für Europäische und Schweizerische Zeitgeschichte an der Universität Fribourg/Schweiz.

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