Beobachtungen zum anzeichenlosen Verdacht.

Die Arbeit setzt sich im Rahmen der juristischen Grundlagenforschung kritisch mit der Praxis systematischer datengetriebener Verdachtschöpfung auseinander. Diese Praxis zielt nicht mehr auf konkrete tatsächliche Feststellungen zu bestimmten Tatverdächtigen. Über »Trefferfälle« in vernetzten IT-Systemen will man frühzeitig kriminogene Muster erkennen und auf diese Weise eine allgemeine risikobasierte Sicherheitsvorsorge ermöglichen. Der Verfasser vertritt die These, dass die Praxis des »anzeichenlosen Verdachts« im Ansatz verfehlt ist und ein beträchtliches Risiko falscher Verdächtigung birgt. Um das neu entstandene Verdachtsdispositiv der Sicherheitsbehörden rechtlich einzuhegen und ein noch zu entwickelndes Vorfeld- bzw. Risikorecht vorzubereiten, diskutiert er verschiedene poststrukturalistische Theorieansätze. Im Ergebnis plädiert er - in bewusster Abkehr vom positivistischen Mainstream - für einen diskurstheoretisch und semiotisch inspirierten Pragmatismus.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten in Saarbrücken, Mainz, Speyer und Dijon (Frankreich) war Norbert Reez Rechtsreferendar beim Oberlandesgericht Koblenz (1990-1993). Danach absolvierte er ein zweijähriges Aufbaustudium Kriminologie an der Universität Hamburg. 1995 trat er in den Bundesdienst ein und war bis 2008 in verschiedenen Führungsfunktionen bei der Bundespolizei tätig. Nach dem Wechsel zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe leitete er dort das Referat »Strategische Krisenmanagement-Übungen«, zugleich als Leiter der nationalen Projektgruppe LÜKEX. Seit Juli 2014 ist Norbert Reez Studienreferent an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin.