Bevölkerungsexplosion in Europa und Kalter Krieg 1904-1914

Im Juli 1914 waren die Hauptmächte Europas mental und kriegstechnisch hochgradig kriegsbereit, da ein Klima gegenseitiger Phobien und kollektiver Ängste, die sich letztendlich aus der Bevölkerungsproblematik ableiten lassen, vorherrschte. Vor diesem Hintergrund zeigt Peter Winzen, dass der große Krieg in den Augen der meisten Zeitgenossen kein Schreckensszenario war, sondern eher ein probates Mittel zur Revolutionierung der als unhaltbar angesehenen Weltordnung. Dabei haben die Entscheidungsträger die Folgen ihrer Kriegsentscheidung nur unzureichend einschätzen können. Daher hat die vieldiskutierte Frage nach der Hauptverantwortung für den Kriegsausbruch nur sekundäre Bedeutung, da es sich im Prinzip um eine kollektive Schuld handelt. Nach der langen Phase des Kalten Krieges (1904-1914) hat sich bei den an den Kriegsentscheidung beteiligten Regierungen und Militärs ein Fatalismus aufgestaut, der den Weg in die heiße Phase erleichterte. Man darf davon ausgehen, dass bei einem friedlichen Ausgang des österreichisch-serbischen Konflikts die Kriegsentscheidung nur vertagt worden wäre. Die 'Urkatastrophe' des 20. Jahrhunderts war damit also angesichts der stürmischen demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung, die in die hektische Phase des Hochimperialismus einmündete, gewissermaßen vorprogrammiert. Frankreich galt dabei wegen seiner rückläufigen Bevölkerungszahl als sicherer Kandidat für den Abstieg, wohingegen Deutschland wegen seines rasanten Bevölkerungswachstums und seines Wirtschaftsbooms als kaum zu bändigender Aufstiegsaspirant aufgefasst wurde.

Peter Winzen ist promovierter Historiker und Verfasser mehrerer Publikationen zur Geschichte des Kaiserreichs. Bis 2003 war er Lehrbeauftragter für Geschichtsdidaktik an der Universität zu Köln.

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