Briefe aus Galizien 1913

Im Frühling des Jahres 1913 reiste der 22-jährige Vikar Karl Hinrichsen aus Süderbrarup, Schleswig-Holstein, nach Stanislau in Galizien, das damals den südöstlichen Zipfel des Kaiserreichs Österreich-Ungarn bildete. Er hatte sich um einen Volontärsplatz in den Zöcklerschen Anstalten beworben, die von Pfarrer Dr. Theodor Zöckler in Stanislau seit 1891 aufgebaut wurden, um die in der Diaspora lebenden evangelischen Deutschen in Galizien zu unterstützen und ihnen eine seelsorgerische, schulische, soziale und völkische Heimstatt zu geben. Aus kleinsten Anfängen war bis zum Jahr 1913 bereits eine stattliche Einrichtung geworden. Pfarrer Zöckler lag am Herzen, jungen deutschen Vikaren die Arbeit in der Diaspora näher zu bringen. Aus Stanislau, dem heutigen Ivano Frankivs´k in der Ukraine, hat unser Vater regelmäßig an seine Eltern lange handschriftliche Briefe geschickt, in denen er über die Reise nach Stanislau, die ihn über Dresden, Prag, Wien und Budapest führte, über das Leben im Kandidatenkonvikt Paulinum und seine Aufgaben in den Anstalten, über seine ersten Amtshandlungen als junger Pfarrer – Gottesdienste, Kindergottesdienste, Predigten, Beerdigungen, Taufen, Abendmahlserteilungen –, über seine täglichen Erlebnisse sowie über seine Reisen in die nahen Karpaten und die größeren galizischen Städte Lemberg, Przemysl und Jaroslau ausführlich und anschaulich berichtet hat. Diese 14 Briefe aus der Zeit von April bis September 1913 sind nach 90 Jahren aus dem Nachlass wieder aufgetaucht und bilden den Kern des vorliegenden Buches. Leider sind die Antwortbriefe des Vaters Nikolai V. Hinrichsen an seinen im fernen Galizien weilenden Sohn nicht mehr vorhanden.