Case Management meets Pierre Bourdieu: Eine kritische Untersuchung

Der Begriff Case Management ist derzeit allgegenwärtig und bestimmt in gleichem Maße die sozialpolitische Rhetorik vom Umbau des Sozialstaats, wie auch die wissenschaftlichen Diskurse innerhalb der Sozialen Arbeit bzw. Sozialpädagogik. Dabei hält die bereits in den 1970er Jahren in den USA entwickelte Methode des Case Management zwar bereits seit einigen Jahren auch in Deutschland zunehmend Einzug in die Interventionsstrategien der Sozialen Arbeit und in das Gesundheitswesen, die Diskussion um Einführung, Finanzierung und Wirkung des Ansatzes aber ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Insbesondere im Rahmen der aktuellen Diskussion um die Neu- bzw. Umstrukturierung des Sozial- und Gesundheitssystems wird der Ansatz als eine Art Allheilmittel zur Lösung system-immanenter Probleme propagiert. Angesichts der stetig steigenden Kosten sollen die sozialen Sicherungssysteme durch den gezielt gesteuerten Einsatz der vorhandenen materiellen, finanziellen und persönlichen Ressourcen bei gleich bleibender Qualität für die betroffenen Bevölkerungsgruppen effizienter und kostengünstiger arbeiten.
Die vorliegende Arbeit versucht, den Case Management-Ansatz nicht auf ein bestimmtes Anwendungsfeld einzugrenzen oder auf einen bestimmten Aspekt einzuengen. Vielmehr wird versucht, das Konzept 'im Ganzen' zu besprechen. Dabei soll insbesondere der sehr abstrakt und theoretisch gehaltenen Hypothese nachgegangen werden, inwieweit dieser vor allem auch zur Kostensenkung im Sozialbereich eingeführte Ansatz einer 'manageriellen Vernunft' zum Durchbruch verhilft, beziehungsweise als Ausdruck einer Durchsetzung ebendieser angesehen werden kann. Der Begriff der manageriellen Vernunft wird dabei im Zuge der Arbeit entwickelt und dient als Wortschöpfung vor allem dazu, eine zunehmende Etablierung managerieller Wirksamkeitsvorstellungen innerhalb der Denk- und Handlungsansätze der Sozialen Arbeit zu beschreiben. Schließlich soll der Erfolg und die zunehmende Präsenz des Case Management mit Hilfe der Theoriebausteine des französischen Soziologen Pierre Bourdieu daraufhin untersucht werden, ob es nicht auch in eine großflächigere Verschiebung hin zu einem ökonomisch-neoliberalen Verständnis der sozialen Welt eingeordnet werden kann.
Dieser Hypothese zufolge wäre die Importierung der Methode somit nicht nur geographisch - durch eine Übertragung vom US-amerikanischen Sozial- und Gesundheitswesen auf das Bundesrepublikanische - kritisch zu betrachten, sondern vor allem auch philosophisch, da der Ansatz einem dem sozialen Sektor fremden Feld- und Rationalitätsverständnis entspringt.

Michael Schrauth, Jahrgang 1980, lebt und arbeitet derzeit in München. Nach seinem Studium der Pädagogik, Soziologie und Philosophie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Bereich der Beratung von hilfs- und/oder pflegebedürftigen Menschen. Mit dem Themenfeld `Case- und Care-Management im Gesundheitswesen' beschäftigt sich der Autor bereits seit einigen Jahren sehr intensiv, sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene.

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