Citizen Journalism Footage im Dokumentarfilm. Demokratiefördernde Potenziale dokumentarfilmischer Hybride

Öffentlichkeit im Idealfall ist zu begreifen als diskursiver Raum, in dem gesellschaftlicher Konsens und Dissens auf der Grundlage geteilter Informationen generiert und diskutiert werden. Voraussetzung ist, dass ihre Mitglieder auch über die Informationen verfügen, die sie benötigen, um sich auf rationale Weise eine eigene Meinung zu allen gesellschaftlich relevanten Fragen bilden zu können. Der zunehmende Wegfall von Produktions- und Distributionsbarrieren, der mit der Etablierung 'neuer' Medientechnologien einhergeht, hat eine erhebliche Zunahme der Öffentlichmachung partikularer Interessen zur Folge - eine Tatsache, die sich auch in Menge und Komplexität der angebotenen Informationen manifestiert. Der Bedarf an professionellen Instanzen, die in der Lage sind, diese Informationen vorzuselektieren, zu validieren und zu etwas zu verarbeiten, mit dem die öffentliche Meinung umgehen kann, steigt somit stetig. Auch dokumentarischer Film wird zunehmend zu Informations- und Aufklärungszwecken genutzt. Handicams und Camcorder ermöglichen es, schnell und ohne umfassende Vorkenntnisse Bewegtbildmaterial zu produzieren, das Internet dieses öffentlich zu machen, zu verbreiten und zu rezipieren. Viele Bürgerjournalisten nutzen die Möglichkeit derartiger Informationsherstellung und -verbreitung in dem Glauben, über das Erreichen einer Öffentlichkeit Veränderung bewirken zu können. Doch ohne eine professionelle Instanz, die das Material aufgreift und aufarbeitet, geht dieses citizen journalism footage - und somit eine der bedeutsamsten Informationsquellen unserer Zeit - nur allzu oft in der Komplexität des Cyberspace verloren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher zu untersuchen, inwiefern der klassische Dokumentarfilm als professionelle und etablierte Medieninstanz eine Aufarbeitung von citizen journalism footage im Sinne obiger Problemstellung gewährleisten kann und - vor dem Hintergrund einer von demokratischen Werten geleitete Funktionserwartung an die Medien - sollte.

Laura-Johanne Zimmermann, geb. 1986, studierte zunächst Internationale Entwicklung und Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. In ihrer Abschlussarbeit befasste sie sich mit der Frage nach der Veränderung des politischen Dokumentarfilms durch den Medien- und Strukturwandel. Es folgte das Masterstudium 'Audiovisual and Cinema Studies' an der Goethe Universität Frankfurt am Main, der Université de Liège sowie der Universiteit van Amsterdam, in dessen Rahmen sie sich insbesondere mit den sozialpolitischen Potenzialen klassischer und neuer dokumentarfilmischer Formen auseinandersetzte. Zwischendurch absolvierte sie diverse Hospitanzen, u. a. in der Redaktion Dokumentarfilm in Straßburg, der Filmredaktion 3Sat und bei MISCHIEF Films in Wien und besuchte u. a. die internationale Film Studies Spring School 'Contemporary Audiovisual Geographies 3/ From intellectual property to grassroots participation' in Udine/Gorizia, Italien. Seit 2013 arbeitet sie als Mitarbeiterin der THURN Filmproduktion und Regie bei 'Forschung aktuell', Deutschlandfunk.