Das 'Homosexuellen-Urteil' des Bundesverfassungsgerichts aus rechtshistorischer Perspektive

Im heutzutage weitgehend negativ konnotierten 'Homosexuellen-Urteil' des Bundesverfassungsgerichts von 1957 lehnte es das Karlsruher Gericht ab, die damaligen massenhaften Bestrafungen von Männern wegen homosexueller Kontakte für verfassungswidrig zu erklären. Ungeklärt war bislang, wie sich dieses Urteil mit der heute erheblich positiver beurteilten Grundrechtsjudikatur des Gerichts in den 1950er Jahren vereinbaren lässt. Nadine Drönner analysiert umfassend und quellengestützt die zeittypischen Ursachen und Motivationen des Urteils und seine Folgen für die Rechtsdogmatik. Das Urteil verstand sich dabei als Entscheidung für den Augenblick und gab damit - entgegen gewichtigen Stimmen in den Rechts- und Sozialwissenschaften - einem zukünftigen Wandel der Auffassungen zur Homosexualität eine verfassungsrechtliche Grundlage. Damit ermöglicht die Autorin einen differenzierten Blick auf das Urteil: Es hat die massenhaften Strafverfahren gegen homosexuelle Männer nicht beendet, aber mit seiner Begründung und interdisziplinären Argumentation die spätere Entkriminalisierung mit vorbereitet.

Studium der Rechtswissenschaft an der J.W. Goethe Universität Frankfurt am Main und der University of Sydney; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und neueste Rechtsgeschichte, Zivilrecht und Gewerblichen Rechtsschutz der Universität Frankfurt/Main; 2018 Promotion; Rechtsreferendariat am LG Frankfurt, Deutsche Botschaft Kuala Lumpur, Public Defender of the State of Hawai'i.