Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit.

Der Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR hat der Bundesrepublik ein unüberschaubares und trauriges Erbe hinterlassen. Jüngere Informationen zeichnen für die DDR das Bild einer Bespitzelung der eigenen Bevölkerung in Orwell'schen Dimensionen. 90 000 hauptamtliche und 150 000 inoffizielle Mitarbeiter haben Informationen über sechs Millionen Deutsche aus Ost und West zusammengetragen. Ratlos steht die öffentliche Diskussion vor der Abraumhalde aus Papier. Der Ruf nach schonungsloser Aufklärung des staatlichen Unrechts einerseits und der Wunsch, die Aktendeckel des Staatssicherheitsdienstes für immer zu schließen und das Vergangene ruhen zu lassen, scheint die Nation zu entzweien. In den Mittelpunkt der Kritik rückt dabei mehr und mehr die Presse der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem die Illustrierten und Straßenverkaufsblätter seien - von Profitgier getrieben - angetreten, um das Sensationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu befriedigen. Der Diskussion fehlt dabei häufig die nötige Differenziertheit. Insbesondere staatlichen Organen steht es nicht zu, die Motivation einer Presseveröffentlichung zu bewerten. Der Wunsch nach Aufklärung der möglichen Verstrickung führender Politiker mit dem Machtapparat des SED-Regimes ist mit dem Begriff der Sensationsgier unpassend tituliert. Es geht um das, was in der gängigen rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Terminologie als das 'Informationsinteresse der Öffentlichkeit' bezeichnet wird, welches letztlich Motor und Rechtfertigung der politischen Presse ist. Im Grundsatz wird man davon ausgehen müssen, daß die Offenlegung bei Personen, die politische oder hohe administrative Ämter wahrnehmen, im Interesse der demokratischen Kultur unerläßlich ist. Die Presse trägt maßgeblich mit an dieser Verantwortung. Dabei dürfen die Grenzen der gebotenen Publizität freilich nicht übersehen werden. Der Schutz der Opfer vor unfreiwilliger Öffentlichkeit privater und intimer Sachverhalte ist ein wichtiges Individual- und Gemeingut.

Prof. em. Dr. Michael Kloepfer war von 1974-1976 Professor an der Freien Universität Berlin, von 1976-1992 Professor an der Universität Trier, dort Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht. Von 1992-2011 war er Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Umweltrecht, Finanzrecht und Wirtschaftsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor am Walter Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht. Seit 2011 ist er Emeritus. Von 1992-1998 war er Stellvertretender Vorsitzender der unabhängigen Sachverständigenkommission »Umweltgesetzbuch« und von 1999-2001 und 2005-2007 Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft e.V. Von 2008-2016 war er Mitglied der Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern. Er absolvierte zahlreiche Forschungsaufenthalte im Ausland (u.a. Kobe/Japan; Lausanne/Schweiz; Stanford/USA). Er ist zudem Präsident der Forschungszentren Umweltrecht (FZU), Technikrecht (FZT), Katastrophenrecht (FZK) sowie des Instituts für Gesetzgebung und Verfassung (IGV) und ist seit 2011 Leiter des Forschungszentrums Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2017 ist er als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Köhler & Klett tätig.

Weitere Produkte vom selben Autor

Download
PDF
Download
PDF
Download
PDF
Download
PDF
Denkmalschutz und Umweltschutz. Michael Kloepfer

99,90 €*