Das Theater des Daniil Charms als Strukturtyp des 'anderen' Theaters

Inhaltsangabe:Einleitung: Avantgarde in Russland und ‘anderes’ Theater: ‘Die europäische Avantgardebewegung entstand aus einem umfassenden Krisenbewusstsein’. Speziell in Russland stand die Avantgarde in ihren Absichten, Zielen und Methoden dem sozialistischen Realismus heteronom, und darüber hinaus antinom gegenüber. Auf die Frage hin, was der sozialistische Realismus sei, antwortete Andrej Sinjavskij in seinem Essay: ‘Der sozialistische Realismus ist eine Kunst des entschlossenen Rückschritts ins 18. Jahrhundert, eine Neuauflage klassizistischer Sittenstrenge und Lachfeindlichkeit’. Das erklärte Ziel des Sozialistischen Realismus war eine sozialistische Kunst, deren Werke vorwiegend auf Wiedererkennbarkeit, auf eine Stabilisierung der Gattungsgrenzen und -hierarchien, auf eine strikte Befolgung vorgegebener Kombinationsregeln und auf eine Dominanz der didaktischen Textfunktionen u.a.m., kurz: auf die Reproduktion der konservativen Illusionskunst des 19. Jahrhunderts setzten. Dem Sozialistischen Realismus ging es, im Gegensatz zu den Avantgardebewegungen, nicht darum, neue Einsichten in Bezug auf Leben und Kunst zu gewinnen, sondern vielmehr darum, die Kunst soweit zu kontrollieren, dass von ihr aus keine die Ideologie gefährdenden Impulse ausgehen können. So veranlasste das Zentralkomitee der Partei im April 1931 die Auflösung jeglicher Schriftstellerorganisationen und die Gründung ‘eines sowjetischen Einheitsverbandes.’ Mit dem Versprechen seitens der RAPP (Russische Vereinigung Linker Schriftsteller), in ihrem Wirken weiterhin der ideologischen Linie der Partei treu zu bleiben, wurden diese nun zu dem angestrebten sowjetischen Einheitsverband erkoren. Literarische Avantgarde ist, so Peter Bürger, ‘jene Bewegung der russischen Kunst und Literatur zwischen 1910 und 1930, deren Hauptziel die Liquidierung der autonomen Institution Kunst und deren Überführung in (die) Lebenspraxis war’. Die Poetik der Avantgardebewegung war eine Poetik der Infragestellung, die eine lexikalische Neuerung und die Konfusion der Gattungen hervorbrachte und dabei u.a. die Montagetechnik, die Technik der Depersonalisierung und die der Verfremdung anwandte. Ihr Bestreben war es, die Mechanismen des Alltags, der Politik und der Kunst durchschaubar zu machen und darüber hinaus mit Hilfe der Kunst Spielräume zu schaffen, in denen sich das Subjekt als autonomes und weltveränderndes Ich begreift. Dieses Bestreben stand ganz im Geist des mittelalterlichen Karnevals, [...]

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