Das schwierige koloniale Erbe

Mit der Eröffnung des Humboldt Forums hat sich die Debatte um den Umgang mit unserem schwierigen kolonialen Erbe intensiviert. Sie hat gezeigt, dass es um weit mehr geht als um die Restitution von geraubten oder auch rechtmäßig erworbenen Kulturgütern an die Herkunftsgesellschaften. Es geht darum, wie wir uns selbst und andere sehen, es geht um Versöhnung und Gerechtigkeit, gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen. Globale Krisen - 80 Millionen Flüchtlinge, die Verbreitung tödlicher Seuchen, der gerechte Zugang zu natürlichen Ressourcen, die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen weltweit etc. - lassen sich nur durch internationale Zusammenarbeit lösen. Das gelingt nicht, wenn die Vergangenheit zwischen den früheren Kolonialmächten und den von diesen unterdrückten und ausgebeuteten Menschen steht. Die Frage ist also keine nationale, sondern eine internationale. Dieses Heft nimmt daher eine internationale Perspektive ein und lässt Wissenschaftler*innen und Fachleute aus verschiedenen Ländern zu Wort kommen. Dabei zeigt sich, dass strittige Restitutionsfragen nicht die Gegensätze verschärfen müssen, sondern der Umgang mit ihnen die Möglichkeit bietet, eine weitergehende Verständigung oder zumindest ein größeres gegenseitiges Verständnis zu erreichen. Die Museen übernehmen dabei eine wichtige Aufgabe. Das ist deswegen nötig, weil das geltende Recht nicht geeignet ist, die anstehenden Probleme zu lösen. Wie ein Recht aussehen kann, dass zumindest ein Anfang sein kann, um zu einem Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu kommen, zeigt ein Blick über den Atlantik. Der Native American Grave and Protection Repatriation Act 1990 könnte hier Anschauungsmaterial für die früheren Kolonialmächte bzw. die Herkunftsgesellschaften in Europa liefern. Wie nötig eine sachkundige und historisch korrekte Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit für die Gegenwart ist, zeigt das Beispiel Großbritannien. In Verklärung einer glorreichen kolonialen Vergangenheit wird das Heil in einem 'global Britain' gesehen. Dabei ist es 'wahrscheinlich nur möglich, beim britischen Empire nostalgisch zu werden, wenn man den Großteil seiner Geschichte vergisst' (Robert Saunders).

Mitiana Arbon ist Anthropologe und seit April 2021 Co-Kurator für Ozeanien am Übersee-Museum Bremen. Prof. Dr. Wiebke Arndt ist Ethnologin und Altamerikanistin und seit 2002 Direktorin des Übersee-Museums Bremen. Magnus Brechtken ist seit 2012 Stv. Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin und Professor an der LMU München. Michael Dieminger ist wissenschaftlicher Referent in der Stiftung Humboldt Forum. Er kuratiert die Serie '99 Fragen' mit Dialogen, Podcast, Workshops und Residencies. Dr. Laura Goldenbaum ist Kunsthostorikerin und arbeitet seit 2019 in der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss als wissenschaftliche Referentin im Bereich der Generalintendanz. Prof. Dr. Eckart Köhne ist Klassischer Archäologe, Direktor des Badischen Landesmuseums und Präsident des Deutschen Museumsbundes. Mathilde Leduc ist Historikerin und Kulturanthropologin im Afrikamuseum, Brüssel. Amel Ouaissa ist wissenschaftliche Referentin für Internationales und Diversität in der Stabsstelle für Strategie, Koordination und Internationales der Stiftung Humboldt Forum. Dr. Andrea Scholz arbeitet seit 2012 am Ethnologischen Museum Berlin. Dort hat sie ein Netzwerk der Zusammenarbeit zwischen dem Museum und indigenen Partner*innen in Brasilien, Kolumbien und Venezuela aufgebaut und mit künstlerischen und digitalen Formaten experimentiert. Prof. Dr. Benedikt Stuchtey ist Historiker an der Universität Marburg. Carola Thielecke ist Leiterin des Justiziariats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Mitautorin des Leitfadens des Deutschen Museumsbundes zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Dr. Stephanie Walda-Mandel ist Ethnologin und seit 2017 Sachgebietsleiterin für Ozeanien und die Amerikas am Übersee-Museum Bremen.

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