Der Antichrist und der Gekreuzigte

Wenige Monate vor seinem Zusammenbruch 1888/89 beginnt Friedrich Nietzsche die Geschichte Jesu von Nazareth auf verstörende Weise neu zu erzählen - ausgerechnet unter der Überschrift 'Der Antichrist'. Gleich darauf entwirft er seine Selbstdarstellung 'Ecce homo' in enger Auseinandersetzung mit diesem Bild Jesu. Und in seinen letzten Briefen tritt er schließlich selbst in diese Erlöserrolle ein. Der Dichter-Philosoph, der einst den 'Tod Gottes' proklamiert hatte, verkündet nun triumphierend: 'Gott ist auf der Erde'. Und er unterschreibt diesen Satz als 'Der Gekreuzigte'. Die Wandlungen, die sich zwischen diesen Texten vollzogen haben, sind immer wieder als Symptome des ausbrechenden Wahnsinns verstanden worden. Detering analysiert Nietzsches letzte Texte jenseits der alten Streitigkeiten um Philosophie und Krankheit: als Teile einer sich vor den Augen der Leser entwickelnden großen Erzählung, als Arbeit am Mythos, die ihrer eigenen literarischen Logik folgt.

Heinrich Detering, geb. 1959, ist nach Lehrtätigkeit an den Universitäten in Irvine, München und Kiel Professor für Neuere deutsche Literatur an der Georg-August-Universität Göttingen. 2003 erhielt er den »Preis der Kritik' von Hoffmann und Campe und 2009 wurde er mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Er ist u.a. Mitherausgeber der kommentierten Ausgabe der Werke, Briefe und Tagebücher von Thomas Mann und Autor eines Buchs über Bob Dylan.

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