Der Einfluss Adelungs Grammatik- und Rechtschreibregeln auf Goethe anhand verschiedener Ausgaben der 'Leiden des jungen Werther'

Studienarbeit aus dem Jahr 2017 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: 2, Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit versucht Phänomene des Sprachwandels zwischen verschiedenen Ausgaben von Goethes 'Die Leiden des jungen Werthers' ausfindig zu machen und diese auf den möglichen Einfluss von Johann Christoph Adelung zu beziehen. In den letzten Jahren des Achtzehnten Jahrhunderts bedenken Goethe und Schiller die meißnische Aussprache - 'Regimente' und Johann Christoph Adelung beharren auf dem meißnischen Sprachvorbild noch mit ironischem Spott wie in Goethes Distichon über die Elbe in den 'Xenien'. Doch auch die beiden großen Dichter erkennen die Qualität und den Nutzen des bedeutendsten Sprachwissenschaftlers des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wie ihr Briefverkehr zeigt: Schiller schreibt an Goethe am 26.01.1804 'Den Adelung erbitte [ich] mir wenn Sie ihn nichtmehr brauchen. Ich habe allerlei Fragen an dieses Orakel zu thun.' Und Goethe antwortet am selben Tag 'Hier schicke ich meinen Adelung; verzeihen Sie daß ich den Ihrigen wohleingepackt an Voß geschickt habe, der dessen zu einer Recension von Klopstocks Grammatischen Gesprächen höchst nöthig bedurfte.' Adelungs sprachwissenschaftliches Werk wird von den Dichtern offensichtlich nun auch zur Überarbeitung der eigenen Texte verwendet und damit stellt sich die Frage, wie groß der Einfluss dieser Arbeiten auf die Sprache der Dichter in ihren Werken ist. Polenz schreibt, dass noch nicht genügend geklärt ist wie groß die tatsächliche Wirkung von Grammatikern und Orthografiereformern auf die Sprachentwicklung und damit auch die von Adelung auf die Schriftsteller seiner Zeit ist. Besonders bei Goethe bietet sich eine genauere Betrachtung an, da er im Laufe seines langen Lebens seine Texte mehrfach überarbeitet und neu veröffentlicht. Jürg Fleischer, Katrin Kuhmichel und Augustin Speyer stellen dazu fest, dass wenn sich sprachliche Unterschiede zwischen verschiedenen Fassungen desselben Textes feststellen lassen, können die Veränderungen mit den zur Zeit der Überarbeitung offensichtlich maßgeblichen sprachlichen Normvorstellungen in Zusammenhang gebracht werden. Sie behandeln in ihrem Aufsatz 'Sprachveränderung bei Goethe' die Resituierung des auslautenden Schwa in der Neuausgabe von Goethes Roman 'Die Leiden des jungen Werther' von 1787 gegenüber der Erstausgabe von 1774. Interessant an diesem Phänomen ist, dass es sich nicht als 'natürlicher' Sprachwandelprozess, sondern als stilistische Veränderung auf der Ebene der Schriftsprache klassifizieren lässt.