Der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe als Konsensimperium (1949-1971)

Spätestens seitdem Ronald Reagan die Sowjetunion als 'evil empire' bezeichnete, hat es sich eingebürgert, die Sowjetunion und ihre osteuropäische Einflusssphäre als Imperium zu bezeichnen. Auch in der Forschung fand dies Einzug. Tatsächlich lassen sich viele Ähnlichkeiten zwischen der Sowjetunion und anderen Imperien feststellen. Die wirtschaftliche Seite der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und ihren 'Satelliten' passt jedoch kaum in dieses Bild. Anders als man es erwarten würde, wandelte sich das typische Ausbeutungsverhältnis zwischen Zentrum und Peripherie spätestens ab den 1960ern zugunsten der letzteren. Erik Radisch analysiert die wirtschaftliche Seite der sowjetischen Einflussnahme auf Osteuropa. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), der die wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb des Ostblocks koordinierte. Die Neuinterpretation des RGW als Teil imperialer Strukturen zeigt auf, dass sich die Herrschaftsstrukturen - ausgelöst durch die Entstalinisierung - von einem 'quasi formalen Imperium' hin zu einem 'informal empire' wandelten.

Erik Radisch hat Osteuropäische Geschichte, Slawistik und Politikwissenschaften in Marburg, Leipzig und Prag studiert und in Bochum am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte zum Thema 'Der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe als Konsensimperium' promoviert. Er ist außerdem ein ausgewiesener Experte für die Digital Humanities. Seit 2019 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Digital Humanities der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.