Der französische Wortschatz der Waldenser in Deutschland

Religiöse Intoleranz vertrieb in den beiden letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts mehrere Tausend Waldenser aus dem damals französischen Val Cluson (Chisonetal) in den Kottischen Alpen, später auch aus dem angrenzenden Herzogtum Savoyen, wo sie vorübergehend Zuflucht gefunden hatten. Sie zogen 1685/86 bzw. 1698/99 über die Schweiz nach Südwestdeutschland, insbesondere nach Württemberg und Hessen. Dort wurden sie von einigen protestantischen Fürsten aufgenommen und meist in eigenen Kolonien angesiedelt. Infolge dieser Ereignisse entstanden in den Aufnahmeländern, aber auch in der Schweiz und den Niederlanden (sie unterstützten die Niederlassung diplomatisch und finanziell) große Mengen französischsprachiger Akten, die die dortigen Archive füllen. Sie wurden bisher noch kaum auf ihren Beitrag zur galloromanischen Lexikographie untersucht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Lücke zu schließen. Zu diesem Zweck wurden rund 1000 Archivdokumente aller Art aus den Jahren 1685 bis 1735/40 ausgewertet. Dabei kamen sowohl korpusspezifische als auch die galloromanische Lexikographie im allgemeinen interessierende Befunde zutage. Sie wurden systematisch mit den im FEW und anderen Quellen verfügbaren Informationen verglichen. Spezifisch sind u.a. eine Reihe okzitanischer Dialektalismen, die die Flüchtlinge aus der Heimat mitbrachten, ferner einige Helvetismen, welche die engen religiösen Beziehungen zur Suisse Romande, vor allem Genf, spiegeln. Auch der z.T. altertümliche Wortschatz hängt wohl mit der Herkunft der Siedler aus einem Randgebiet des französischen Sprachraumes zusammen, das durch die von Paris ausgehende Sprachlenkung kaum berührt wurde. Der allgemein-lexikographische Ertrag umfaßt eine große Zahl chronologischer, semantischer und sonstiger Fakten, die über 500 Lexeme bzw. noch weit mehr zugehörige lexikalische Erscheinungen (Bedeutungen, Syntagmen usw.) betreffen. Sie ergänzen und vervollständigen die im FEW und anderen lexikographischen Werken gesammelten Informationen. Insbesondere gelingt es, eine erhebliche Zahl von Erscheinungen nachzuweisen, die, soweit bekannt, bisher noch nirgends bezeugt sind.

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