Der fremde Lessing

Lessing verstehen - Ter-Neddens Buch macht dies möglich. Lessing ist ein schwieriger Autor. Der Dichter der Aufklärung zählt zwar zu den Schöpfern des modernen Bewusstseinsdramas, sein Werk erschließt sich aber nicht über die Einfühlung in das Handeln der literarischen Figuren. Es ist das Werk eines Philologen, der auf programmatische Weise Literatur aus Literatur macht und größten Wert darauf legt, den »denkenden Kopf' an seiner kritischen Aneignung des literarischen Erbes teilhaben zu lassen. Gisbert Ter-Nedden macht es sich zur Aufgabe, Lessings Sprache der Schlüsselzitate zu entziffern und die scharfsinnige Um- und Neugestaltung seiner literarischen Vorlagen mitdenkend nachzuvollziehen. Damit stellt er nicht nur die Auseinandersetzung mit Lessings Werk auf eine neue philologische Grundlage, er bringt auch das literarische Ethos dieses ältesten modernen Dramatikers der Deutschen zur Geltung: seinen kosmopolitischen Beitrag zu einer »Erziehung des Menschengeschlechts', die jede Bindung an eine religiöse Dogmatik hinter sich gelassen hat.

Gisbert Ter-Nedden (1940-2014) war von 1985 bis 2005 Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der FU Hagen. Sein wissenschaftliches Interesse galt dem Werk Lessings sowie der Literatur-, Kultur- und Mediengeschichte des 18. Jahrhunderts. Ter-Neddens Buch über Lessings Trauerspiele und den Ursprung des modernen Dramas aus dem Geist der Kritik (1986) wurde zu einem Standardwerk der Forschung. Robert Vellusig, geb. 1965, Studium der Germanistik und Romanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz, Promotion 1999 mit einer Arbeit zur Briefkultur des 18. Jahrhunderts, Habilitation 2011 mit den hier vorliegenden Studien. Arbeitet und lehrt als Privatdozent am Institut für Germanistik der Universität Graz.