Der unheimliche Besucher

Jeder im 3. Polizeirevier, der nicht in den letzten drei Monaten längere Zeit im Urlaub, auf Schulung oder dienstunfähig gewesen ist, kennt Gabriele Wilhelmi, Sekretärin des Abteilungsleiters Spedition & Logistik von »Brömme, Canisius & Cie Im- und Export und Schiffsmakler GmbH«, alleinstehend, seit 21 Jahren geschieden, keine Kinder, seit ihrer Scheidung wohnhaft in einer 3-Zimmer-Altbauwohnung in einem Gründerzeitbau in der Scharnhorst-Allee in Lübeck-St.Gertrud - denn sie steht oft genug auf dem Revier. Unterschiedliche Ansichten gibt es bei den Polizeibeamten, ob die Wilhelmi vollkommen verrückt sei, oder nur ein bißchen, oder ob tatsächlich ein mysteriöser Unbekannter in ihrer Wohnung sein Unwesen treibt. Wogegen zumindest alle überprüfbaren Fakten sprechen. Edgar Stranitzki, ehemaliger Drogenfahnder und jetzt im Dezernat für Todesermittlungen der Lübecker Kripo, hat gute Laune, weil er endlich zum Kriminalhauptkommissar befördert worden ist, und so will er sich der Sache annehmen, bevor es einen Toten gibt. Aber seine kluge Idee, die Sache zu klären, kommt zu spät... ... Sie rannte wie gehetzt in die Küche. Doch dort schien alles wie immer. Kein Messer lag offen herum, wo es nicht herumzuliegen hatte. Kein Stück der Dekoration hatte sich in Luft aufgelöst oder seinen angestammten Platz gewechselt. Der Deckel des alten Brotkastens, eines Überbleibsels aus der Wohnung einer verstorbenen Tante, aus weiß lackiertem Blech mit einem Deckel aus braunem Holz, der Deckel des alten Brotkastens stand zwei Finger breit offen. Hatte sie den Deckel vorhin nach dem Frühstück nicht richtig wieder geschlossen? Und wie konnte er überhaupt so ein kleines Stück offen stehen? Hätte ihn die Schwerkraft nicht nach unten oder höchstens auch in die andere Richtung ziehen müssen? Sie ging zum Brotkasten und versuchte, den Deckel zu schließen. Er klemmte. Hektisch versuchte sie den Deckel herunterzudrücken, bis sie merkte, daß sich ein Stückchen steinhartes Graubrot in der Führungsschiene des Deckels verklemmt hatte. Sie pulte es mit wilden, ungeschickten Bewegungen heraus. Sie hatte vor mindestens zwei Wochen das letzte Mal Graubrot gekauft. Sie rannte aus der Küche zur Garderobe, zog sich mit fahrigen Bewegungen ihren Mantel an, band ein Kopftuch um, griff sich den Regenschirm, schnappte sich ihr Schlüsselbund und verließ die Wohnung. ...

Jan Hinnerk Feddersen (Pseudonym) arbeitete als Reporter für verschiedene Tageszeitungen und Nachrichtenagenturen in den USA, Westafrika, im ehemaligen Jugoslawien und dem Mittleren Osten. Seine Lust an guten Kriminalgeschichten und die Erfahrung, immer öfter im Fernsehen wie auch in Büchern mit schlechten Krimis voller sachlicher Fehler konfrontiert zu werden, brachten ihn dazu, selbst eine Reihe von Kriminalromanen zu veröffentlichen, deren Handlung in Schleswig-Holstein angesiedelt ist.

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