Die Beschreibung und Darstellung der Dido-Figur im mittelhochdeutschen Erzählen. Ein Vergleich von Heinrich von Veldekes "Eneasroman" und seiner altfranzösischen Vorlage, dem "Roman d' Eneas"

Essay aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 2,0-2,3, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Faszinosum um Didos tragisches Schicksal, das ihre unerwiderte Liebe zu Eneas und ihren anschließenden Selbstmord umfasst, ist bis heute ungebrochen und hat nicht nur zahlreiche Schriftsteller, sondern auch Künstler wie Rembrandt und Jacob Jordaens und Komponisten wie Henry Purcell, Tomaso Albinoni und Hector Berlioz dazu inspiriert, den Stoff künstlerisch neu zu verarbeiten und neu zu interpretieren. Besonders im Mittelalter gab es eine breite literarische Rezeption des Dido-Stoffes, deren beträchtliches Ausmaß vor allem durch die große Bekanntheit und die weite Verbreitung der Dido-Darstellungen von Vergil und Ovid zu erklären ist. Sowohl der altfranzösische ¿Roman d¿ Eneas¿, der um 1160 von einem französischen Anonymus verfasst wurde, als auch Heinrich von Veldekes ¿Eneasroman¿, der ca. 20 Jahre später entstand und sich an dem Konzept des französischen ¿Roman d¿ Eneas¿ orientiert, folgen vor allem im Lavinia-Teil Ovids Vorlage, indem sie die Thematik der Liebe als neue literarische Innovation mittelalterlichen Erzählens einführen und den römischen Heldenepos der klassischen Antike in einen frühhöfischen Minneroman umgestalten. Die Forschungsliteratur hat ihre Aufmerksamkeit bei einem Vergleich der beiden Werke bislang jedoch hauptsächlich auf die Frage gerichtet, auf welche Weise Heinrich von Veldeke die Dido-Erzählung inhaltlich umgestaltet und bewertet. So gibt es in der Forschung nur vereinzelt Beiträge zu den zahlreichen beschreibenden Passagen der Dido-Episode, die sich sowohl in Heinrich von Veldekes ¿Eneasroman¿ und seiner altfranzösischen Vorlage, dem ¿Roman d¿ Eneas¿ finden lassen. Ein ausführlicher Vergleich der Beschreibung und der Darstellung Didos in den beiden Werken, der sowohl inhaltliche als auch stilistische Gemeinsamkeiten und Unterschiede berücksichtigt, liegt indessen nur bei Halä und Schmitz vor. Dieses Forschungsdesiderat soll durch die Untersuchung der folgenden Fragen geschlossen werden: Wie wird Dido in den beiden Romanen beschrieben und dargestellt? Welche Techniken verwenden die beiden Autoren für die Beschreibung und die Darstellung der Dido? Welche Funktion und Wirkung hat die descriptio? Und welche zentralen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung und der Bewertung der Didofigur lassen sich durch einen Vergleich der beiden Texte finden?