Die Bildgestaltung des Kindes verändert sich durch seine Sprachentwicklung

In dieser Veröffentlichung wird erstmalig die Entwicklung der Kinderzeichnung auf einer anerkannt wissenschaftlichen Basis dargestellt. Die sich entwickelnden neurologischen Fähigkeiten werden mit einbezogen. Sie sind für die erstaunliche Wandlung der Bildgestaltung beim Kind verantwortlich. Beim Kind beobachten wir die Veränderung innerhalb von sechs Jahren. Beim frühzeitlichen Menschen verlief eine Wandlung wohl über Jahrzehntausende hinweg. Dieses Buch schlägt den großen Bogen von der Frühzeit des Menschen bis zum Kind heute. Dabei steht die Entwicklung von Bildgestaltung und Sprache im Mittelpunkt unserer Beobachtungen. Ausgang hierfür war eine vermutete Ähnlichkeit der grundsätzlichen neuronalen Entwicklung des Menschen, die sich auch im Zusammenspiel von Bildgestaltung und Sprache zeigt. Die typisch menschliche Ausdrucksfähigkeit über das Abbilden von Gefühl und Wahrnehmung steht in Konkurrenz zur zweiten, nur dem Menschen gegebenen Fähigkeit, nämlich zu sprechen. Ob Bild oder Sprache, steuerndes Organ ist immer das Gehirn. In der Entwicklung der Kinderzeichnung kann man ganz konkret eine auffallende Wandlung feststellen, die direkt mit der Entwicklung des Großhirns zusammenfällt. Die Trennung der beiden Hirnhälften, Lateralisierung genannt, die während der frühen Kindheit erfolgt, spielt dabei die entscheidende Rolle. Durch diese Trennung entwickeln sich in jeder Hälfte spezifische Fähigkeiten. Ganzheitliches Formenerkennen und Darstellen obliegt der rechten Hirnhemisphäre zusammen mit dem Sprachverständnis. Der linken Hemisphäre verdanken wir unter anderem das logische Denken und Sprechen, das immer nur sequentiell (im Nacheinander) erfolgen kann. Zwischen beiden Hirnhälften entwickelt sich eine faszinierende Zusammenarbeit, abgebildet und damit erkennbar in der Entwicklung der Kinderzeichnung. Dieses Buch ist ein Plädoyer zur Förderung einer ganzheitlichen Entwicklung von Kindesbeinen an, der gleichwertigen Anerkennung von Bild und Sprache. So wird die Basis für die Kreativität des Menschen gegeben. Diese war und ist das wahre Kapital für ein anpassungsfähiges Leben im Überlebenskampf. Kreatives Finden von Lösungen wird heute mehr denn je gesucht.

Mein Leben lang interessierte mich die Förderung des nichtsprachlichen Ausdrucks des Menschen. Dabei waren Zeichnungen und Malereien von Kindern immer präsent. Nach dem Studium zur Kunstpädagogik folgte die Promotion. Die Entwicklung der Bildgestaltung des Kindergartenkindes unter dem Einfluss seiner neuronalen Entwicklung standen im Mittelpunkt. Nach langjähriger Arbeit als Kunstpädagogin an Schulen, entschloss ich, mich mit dem Förderprogramm PRO KREATIV selbständig zu machen. Dabei motivierte ich Kinder ab drei Jahren, Jugendliche und Erwachsene zu einer entwicklungsgerechten Bildgestaltung. Ich stärkte spielerisch die ganzheitliche Wahrnehmung und das Vertrauen auf den nicht sprachlichen Ausdruck. Die Beobachtung und Erforschung nonverbaler Spuren von Gefühl und Bewegung begann mit dem Studium der Kritzelmuster des Kleinkindes. Dr. Almut Clausen forschte dazu mit Kindern von ein bis drei Jahren. Darauf konnte ich aufbauen. Es folgte die Langzeitbeobachtung zur Schemaphase mit Kindern von drei bis sechs Jahren. Dies führte zu meiner Promotion in Kunstpädagogik, Entwicklungs- und Wahrnehmungspsychologie und Kunstgeschichte mit dem Titel: Der formale Bestand der Schemazeichnung und der Aufbau von Bedeutungsträgern aus definierten Grundmustertypen.