Die Erfindung des Abenteuers

Umgangssprachlich sind Abenteuer extravagante Begebenheiten, die Menschen auf die Probe stellen. Es wird den Wagemutigen abverlangt, Widerstände zu bewältigen, damit sie nach vollbrachter Tat - jedenfalls in den erfundenen Fabeln - mehr oder weniger heil nach Hause zurückkehren können. Wer aufbricht, um in die Fremde vorzudringen, folgt meist einer Triebkraft oder auch mehreren, damit er oder sie den 'normalen' und abzählbaren Lebensprozessen entrinnen: der Wunsch, sich selber kennen zu lernen oder sich auszuzeichnen vor anderen; der kolonialistische Ehrgeiz, sich fremder Länder und ihrer Bewohner zu bemächtigen; die Suche nach materiellen und immateriellen Schätzen. Die Fahrt ins Unbekannte konfrontiert die 'Reisenden' unter anderem mit den heimlichen oder offen proklamierten Absichten, die den, der aufbricht, dazu motiviert haben, das 'heimatliche Dorf' zu verlassen. Was aber geschieht, wenn eine Person durch erlebte Abenteuer so umgeprägt wird, dass der Weg zurück in die 'bürgerliche Mitte' für immer verbaut ist? In der Mehrheit sind in den Erzählungen der letzten beiden Jahrhunderte die Wege der Abenteurer, besonders der ins Mysteriöse überhöhten 'Übermenschen', Einbahnstraßen. Diese extrem veranlagten Subjekte können nur außerhalb der zivilen Gesellschaft existieren. Sie rennen durch ihr Leben, besessen und eigensinnig, bis zum furchtbaren Ende, das auch eine Erlösung sein kann.

Thomas Koebner, Jahrgang 1941, zehn Jahre lang Musikkritiker in München, Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie, Promotion mit einer Studie zu Hermann Broch, danach Kurse zur Neueren deutschen Literatur und zum zeitgenössischen Musiktheater in München und Köln, erste Professur (für Germanistik und Allgemeine Literaturwissenschaft) in Wuppertal 1973, Wechsel nach Marburg 1983 (dort ein Schwerpunkt: Forschung zum Exil 1933-1945), Direktor der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin 1989-1992, Gründung eines Instituts für Filmwissenschaft an der Universität Mainz 1993. Seit der Emeritierung 2007 Studien zu Bergman, Fellini, Polanski, Reitz, Spielberg, zu den 'Schönen im Film' usw. Zuletzt im Schüren Verlag: 'Erinnerungen im Film', 2022. Mitglied u.a. der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

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