Die Erklärungskraft der 'cleavage'-Theorie für das heutige Parteiensystem Deutschlands

Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Politik - Politisches System Deutschlands, Note: 1,7, Ruhr-Universität Bochum (Fakultät für Sozialwissenschaft), Veranstaltung: Wahlen und Wählerverhalten, Sprache: Deutsch, Abstract: Europäische Parteien und Parteiensysteme entstanden aufgrund tief greifender Konflikte ('cleavages') innerhalb europäischer Gesellschaften im 19.Jahrhundert. Dies ist die Hauptaussage der 'cleavage'-Theorie, welche die Politikwissenschaftler Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan im Jahr 1967 in ihrem Aufsatz 'Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignment' aufstellten. Mit diesem makrosoziologischen Ansatz bot die Politikwissenschaft für lange Zeit ein erfolgreiches Erklärungsmodell für die Entstehung von Parteien und Parteiensystemen in westeuropäischen Staaten. Heute jedoch wird die Gültigkeit dieser Theorie und deren Anwendbarkeit auf Parteiensysteme mehr als kritisch hinterfragt. Durch die Auflösung traditioneller Milieus und einer abnehmenden Parteibindung der Wähler verliert die 'cleavage'-Theorie an Erklärungskraft. So kann sie beispielsweise weder das Auftreten von Parteien, die jenseits von diesen historischen 'cleavages' agieren, noch die hohe Bedeutung der Wechsel-, Protest- und Nichtwähler, erklären. Dennoch gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass sich die etablierten Parteien noch heute auf historische Konfliktlinien berufen, was sich in ihren Parteiprogrammen und in der Sozialstruktur ihrer Wählerschaft manifestiert. Es stellt sich also die Frage in wie weit dieser makrosoziologische Ansatz einen ausreichenden Erklärungsansatz für das heutige Parteiensystem in der Bundesrepublik Deutschland darstellt, in wie weit historische 'cleavages' ganz verschwunden sind oder möglicherweise sogar eine Renaissance erfahren. Dies ist die Aufgabe der folgenden Arbeit. Zunächst werden daher die 'cleavage'-Theorie und ihre grundlegenden Argumente dargestellt. Daraufhin wird die Kritik an diesem makrosoziologischen Ansatz aufgezeigt und die mögliche Entstehung neuer Konfliktlinien diskutiert. Im Hauptteil der Arbeit werden die Parteiprogramme der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien sowie deren Wählerschaft hinsichtlich der Fragestellung analysiert. In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse zusammengefasst und alternative, makrosoziologische Erklärungsversuche zur Analyse des heutigen Parteiensystems diskutiert.

Studium der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum, Humboldt-Universität zu Berlin und an der San Diego State University (USA).