Die Funktion des Tagebuchs in Rainer Maria Rilkes 'Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge'

Studienarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Germanistik - Komparatistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Note: 2,0, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprache: Deutsch, Abstract: Die im Jahre 1910 veröffentlichen Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke gelten in der Literaturwissenschaft nicht nur als der erste deutschsprachige moderne Roman, sondern werden in der Regel der Gattung des Tagebuchromans zugeordnet. Diese gattungstheoretische Einordnung scheint sich primär aus dem Paratext des Werkes zu ergeben, da schließlich bereits der Titel des Buches dem Rezipienten suggeriert, dass es sich um Aufzeichnungen handelt. Innerhalb des fortschreitenden Leseakts wird der Rezipient jedoch feststellen, dass die angedeutete Lesererwartung sich zunehmend aufzulösen scheint: Erwie-sen sich Maltes Aufzeichnungen zunächst als verschriftlichte Gegenwartseindrücke seiner Zeit in der Weltmetropole Paris, so scheinen die Einträge in der Folge immer mehr von ihrem Gegenwartscharakter einzubüßen, indem sie von Maltes Kindheitserinnerungen und seiner Jugend in Dänemark berichten. Diese Distanzierung mündet letztlich in wundersame Erzäh-lungen von diversen historischen Gestalten. Auf Grund dieser plötzlichen Zeitsprünge verlie-ren die Aufzeichnungen ihre Funktion der 'chronologisch an den Forderungen des Tags ori-entierten Verschriftlichung der eigenen Existenz' und damit einhergehend ihren Tagebuch-charakter. Demnach könnten wir sagen, dass den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge bis zum Moment der Abkehr von den Gegenwartsbeschreibungen ein 'tatsächliches Tagebuch' zu Grunde liegt.