Die Hildesheimer Blindenmission in Hongkong

Unter dem Motto 'Hier ist eine Liebesarbeit von Frauen an Frauen!' entsandte die Hildesheimer Blindenmission im Jahr 1896 ihre erste Missionarin nach Hongkong. Beauftragt den 'Geringsten unter dem Chinesenvolk' zu dienen, sollte sie dort eine Arbeit für blinde Mädchen begründen. 100 Jahre später, zur Zeit der Rückgabe der britischen Kronkolonie an die Volksrepublik China, hatte sich die Missionsschule zur Modellschule gewandelt und setzte - nun unter staatlich-säkularem Einfluss - in der regionalen Blinden- und Sehbehindertenpädagogik Maßstäbe. Dieser Wandel ist in seiner historischen Genese und seinen Konsequenzen für Mission wie Missionsklientel nicht nur institutionengeschichtlich interessant. Zwischen karitativer Missions- und säkularer Sozialarbeit, zwischen der Hildesheimer Konstruktion einer 'Bedrohung durch die Heiden' und der lauter werdenden Forderung der 'Schützlinge' nach mehr Teilhabe und Selbstbestimmung: Das Fallbeispiel der Hildesheimer Blindenmission in Hongkong verweist auf Grundfragen der Missionsgeschichte des 20. Jahrhunderts - nicht zuletzt in seinen Bezügen zu Disability History, historischer Geschlechterforschung und Postkolonialismus.



Bernhard Ortmann, Masterstudium 'Intercultural Theology' in Göttingen und Hermannsburg, anschließend Promotion an der Universität Göttingen. Seit 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Interkulturelle Theologie und Religionswissenschaft an der Universität Oldenburg. Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Christentums in Asien und deren Nachwirkungen in heutigen interkulturellen und -religiösen Austauschprozessen.