Die Masse, das Individuum und die Banalität des Bösen

Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Sonstiges, Note: 1,3, Westfälische Wilhelms-Universität Münster (Germanistisches Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Der zentrale Aspekt einer Autobiographie ist das Auto, das Ich, das über sein Leben und sich selbst schreibt. Gefiltert durch die eigenen Vorstellungen und Ansichten, durch die eigene Identität also, erscheint dann diese Identität als individuelle Person. Das lyrische Ich und das Ich des Autors sind identisch, es handelt sich also um die doppelte Konzentration auf dieses Ich, das der Leser durch die Augen dieses Ichs wahrnimmt. Wie funktioniert aber eine solche Autobiographie, wenn sie von einer Person geschrieben ist, die schon gar kein eigenständiges Individuum mehr ist, sondern von einer Ideologie vereinnahmt und Teil einer kollektiven Identität ist? Um dieser Frage nachzugehen, sollen im Folgenden die Mechanismen von Ideologie in ihren Auswirkungen auf das Individuum anhand von Hannah Arendts politischer Theorie analysiert und anschließend an einem autobiographischen Beispiel erläutert werden. Als Beispiel wird, da Hannah Arendt sich in ihren Überlegungen hauptsächlich auf den Nationalsozialismus bezieht, die Autobiographie von Rudolf Höß, dem Lagerkommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz ausgewählt: Kommandant in Auschwitz. In diesem größten Vernichtungslager des Holocaust, in dem die meisten Juden umgebracht wurden, zeigt sich zum einen die konzentrierte NS-Realität, während zum anderen die Person des Rudolf Höß als Befehlsempfänger und -erteiler in so hoher Position nicht mehr als bloßer Mitläufer bezeichnet, sondern als typischer ausführender Nationalsozialist gesehen werden kann und somit völlig von der Ideologie durchdrungen war. Um die Theorie Hannah Arendts zu erfassen, werden mehrere Werke verwendet. Besonders wichtig für diese Arbeit sind Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Eichmann in Jerusalem und ein Aufsatz zu Persönliche Verantwortung in der Diktatur. Im folgenden soll nun Hannah Arendts Theorie zu Individuum und Masse unter totalitärer Herrschaft in Zusammenhang gesetzt werden mit der Autobiographie eines in der Durchführung des Holocaust zentralen Nationalsozialisten. Dabei soll besonders auf das Verschieben von Moralvorstellungen und Wirklichkeiten eingegangen werden. Als zentrale Frage steht im Mittelpunkt dieser Arbeit, inwiefern es einem ideologisch vereinnahmten Individuum möglich ist, als eigenständiges, unterscheidbares Individuum in Form einer Autobiographie in Erscheinung zu treten.

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