Die Position der türkischen Justiz im Machtkampf der kemalistischen Opposition gegen die Regierungspartei AKP

Magisterarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Politik - Sonstige Themen zur Internationalen Politik, Note: 1,00, Ludwig-Maximilians-Universität München (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Hauptaugenmerk der Untersuchungen richtet sich auf die Position des türkischen Verfassungsgerichts im Machtkampf der kemalistischen Opposition gegen die Regierungspartei AKP, der entlang der staatsrechtlichen Konfliktlinie ausgetragen wird. Zunächst erfolgt eine Untersuchung der zentralen Kompetenzen des obersten türkischen Gerichtshofs - hier die abstrakte Normenkontrolle und das Parteiverbot-, durch die es ihm möglich ist, in der politischen Auseinandersetzung Position für die Kemalisten zu ergreifen. Weshalb sich die Richter auf die Seite der Opposition schlagen, ergibt sich aus dem institutionellen Design des Verfassungsgerichts. Nach dem Militärputsch setzte das Militär in der noch heute gültigen Verfassung mit dem Besetzungsverfahren des Gerichtshofs den Grundstein für die ideologische Ausrichtung der türkischen Justiz. Die Generäle konstruierten durch die Bestimmungen der Verfassung eine Principal-Agent-Beziehung zwischen dem Militär und dem Verfassungsgericht und schufen somit ein von demokratischen Kräften beinahe unbeeinflussbares Organ, das das strikte türkische Laizismusprinzip vertritt. Mit anderen Worten dient die Justiz der Sicherung der kemalistischen Interessen auch unter veränderten Verhältnissen einer Annäherung an die Europäische Union. Deutlich wird die ideologische Position der türkischen Justiz an den spektakulären Verfahren gegen die Regierung im Jahr 2008. Zum einen wird die Aufhebung des Kopftuchverbots an türkischen Universitäten durch die AKP vom obersten Gerichtshof kassiert. Im zweiten Verfahren - dem Verbotsprozess gegen die AKP - wird die Regierungspartei zwar knapp nicht verboten, aber verwarnt, da sie ein Zentrum antilaizistischer Aktivitäten sei. Durch die Untersuchungen wird deutlich, dass die Justiz im Namen der Sicherung der streng kemalistischen Werte versucht einen politischen Wandel in der Türkei zu verhindern. Dies ist ein wirksames Mittel, eine Liberalsierung und damit den Machtverlust alter kemalistischer Kräfte zu verhindern. Mit Blick auf die Verfassung tritt das türkische Verfassunggericht anders gewendet als Agent der Generäle auf, die unter den heutigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen in der Türkei nicht mehr gegen die Regierung offen putschen können ohne die Prosperität des Landes zu gefährden.