Die Taube auf der Moschee

Als Marmaduke Pickthall im Frühjahr 1896 aus dem Nahen Osten nach London zurückkehrte, litt er zwar noch immer an den Nachwirkungen einer schweren Typhuserkrankung, hatte jedoch den Kopf voll mit unglaublichen Geschichten und exotischen Bildern, mit detailreichem Wissen über das Leben und die Mentalität der Araber, Syrer und Palästinenser: Er hatte Freundschaften geschlossen, fließend Arabisch gelernt, kuriose Abenteuer erlebt mit fahrenden Rittern, Geschichtenerzählern, Pferdenarren, Straßenräubern, Gaunern, Fanatikern - überwiegend christlich -, mit verstoßenen Prinzessinnen und Tigerjägern, die vergeblich nach einem Tiger suchen. Pickthalls Buch, das er erst 25 Jahre später schrieb - mit Abstand zu seinem jüngeren Ich, einem Schuss Selbstironie und viel Humor -, zeigt auf ganz unbeschwerte Weise, dass die Begegnung zweier Kulturen ebenso ein fruchtbarer Denkanstoß wie ein katastrophaler Zusammenprall sein kann. Es ist eine kleine Brücke zwischen Orient und Okzident, die jeder mühelos überqueren kann, um ein wenig klüger und nachdenklicher in die eigene Welt zurückzukehren.

Marmaduke William Pickthall, geboren 1875 als Pfarrerssohn in London, war Zeit seines Lebens ein Wanderer zwischen den Welten. Der Orient hatte es ihm so angetan, dass er 1917 zum Islam konvertierte und fortan in zahlreichen Zeitungsartikeln und Vorträgen um ein besseres Verständnis seines Glaubens warb. Als erster englischsprachiger Koranübersetzer und Vertreter eines modernen, aufgeklärten und toleranten Islam, ist sein Name zumindest unter englischsprachigen Muslimen heute noch bekannt. Sein umfangreiches literarisches Werk - einst hochgelobt von Autoren wie H. G. Wells und D. H. Lawrence - ist hingegen weitgehend in Vergessenheit geraten. Neben Die Taube auf der Moschee publizierte er vierzehn Romane, drei Bände mit Erzählungen und etliche Essays. Pickthall starb 1936 in Cornwall.

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