Die absolute und die relative Vorrangregel im Recht der Unternehmensorganisation

n letzter Zeit hat die Sanierungskultur im europäischen Rechtsraum einen erheblichen Aufschwung erfahren. Planlösungen zum Erhalt des Rechtsträgers erfreuen sich wegen der damit verbundenen Möglichkeit der Majorisierung einzelner Gläubiger(gruppen) größerer Beliebtheit. Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, wer in welcher Reihenfolge auf vorhandene Werte des Schuldners zugreifen kann oder ob gegebenenfalls erzwungenermaßen Sanierungsbeiträge für den Erhalt des Schuldners geleistet werden müssen. Traditionell gilt in der gesellschaftsrechtlichen Liquidation ebenso wie in der Insolvenz des Schuldners, dass höherrangige vor nachrangigen Gläubigern und Fremd- vor Eigenkapital zu bedienen sind. Abgesichert wird dieser Verteilungsmodus im Planverfahren durch die absolute Vorrangregel. Diese sichert den Rang einer dissentierenden Gläubigergruppe und verschafft der von ihr vor der Krise ausgehandelten Rechtsposition eine starke Stellung. Der europäische Richtliniengeber hat in der Restrukturierungsrichtlinie (EU 2019/1023) mit der relativen Vorrangregel einen abweichenden Verteilungsmodus vorgeschlagen. Die relative Vorrangregel fordert statt einer vollständigen Befriedigung der dissentierenden Gruppe vor einer rangniedrigeren nur eine Besserstellung. Der Autor untersucht eingehend den Gehalt sowohl der absoluten als auch der relativen Vorrangregel. Dazu vollzieht er die Genese beider Vorrangregeln nach und erschließt, welche der beiden Vorrangregeln sich systematisch stimmig in das deutsche Recht einfügt. Auch ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Erwägungen werden in die Betrachtung miteinbezogen.

Michael Klostermann studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Trier und Bonn. Im Sommersemester 2022 wurde er durch die juristische Fakultät der Universität Heidelberg promoviert. Er absolviert derzeit sein Referendariat am Oberlandesgericht Karlsruhe.