»Die große lockende Zukunft, lockend, lockend«

Alfred Döblin begann die Arbeit an seinem Roman Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine (1918) mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Seit seiner Entstehung begleitet den Roman das Los einer schwierigen Rezeptionsgeschichte. Darstellung und Wahrnehmung der Metropole Berlin, Sounds von Fabrik und Stadt, Fanatismus, Gewalt und unkontrollierbare, wie mechanische Reaktionen des von einer »großen lockenden Zukunft« fabulierenden Konstrukteurs und Fabrikanten Wadzek allerdings verorten ihn im Feld von Döblins intensiver Rezeption interdisziplinärer Impulse des italienischen Futurismus in Berlin ab 1912. Weithin unbeachtet, entpuppt Wadzek sich als minutiös komponierter, parodistischer Gegenentwurf zur Prophetie des futuristischen mechanischen Menschen in F. T. Marinettis skandalträchtigem Roman Mafarka der Futurist. Afrikanischer Roman (1909). Mit der Dampfturbine als philosophischem Prinzip und anhand der Berliner zeitgenössischen Realität lässt Döblin seinen Protagonisten eine sukzessive Umkehrung des utopischen Modells vollziehen. Wadzek proklamiert sein >Manifest< einer Technik im Dienst des Menschen. Der Roman lässt sich so mit dem von Döblin selbst angedeuteten, aber nicht offenbarten »Schlüssel« Mafarka öffnen. Im Licht dieses hier verfolgten Zugangs zeigt Wadzek sich letztlich als Anti-Berlin-Roman, als ein Statement Döblins zum Ersten Weltkrieg und als bis heute unterschätzt.

Esther Schmitz-Gundlach, Musik- und Literaturwissenschaftlerin, promovierte zur Musikästhetik des italienischen Futurismus. Dissertationspreis der TU Dortmund und Lehraufträge folgten. 2024 schloss sie einen Master der Neueren deutschen Literatur in Hagen ab.

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»Die große lockende Zukunft, lockend, lockend« Schmitz-Gundlach, Esther

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