Die niederträchtige Boshaftigkeit des Seins

Auf dem Balkon einer Brünner Wohnung wächst in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Kaninchen heran, das Heiligabend in die Pfanne gehauen werden soll. Doch es ist kein normales Kaninchen: Es hat die Lehren Schopenhauers und Wittgensteins aufgesogen, ein halbes Konversationslexikon auswendig gelernt und fühlt sich zu Höherem berufen. Auf seiner Odyssee durch verschiedene Brünner Stadtviertel und Wohnungen begegnet es einer Tierrechtlerin, einem religiösen Dompteur, einem Privatdetektiv mit einer düster grotesk wirkenden Fotogalerie von Hingerichteten, reift zu einer Schriftstellerpersönlichkeit heran und erzählt seine Geschichte und die Geschichte zweier undurchschaubarer Mordfälle, die Jahrzehnte später der Ermittler Adam Ko?í aufklären soll. In bitterbösen Bildern und mit überraschenden Zickzack-Wendungen, wie sie nur eines echten Kaninchens würdig sind, unterzieht der Roman den Status quo der Menschheit und der Menschlichkeit einer furiosen Analyse.

Ji?í Kratochvil, geboren 1940 in Brünn, lebt in Moravský Krumlov. Er debüti erte 1964 in Literaturzeitschrift en, von 1968 bis 1989 politi sch bedingtes Publikationsverbot. Erst nach dem Ende des Kommunismus erschienen seine bisherigen Werke (Romane, Erzählungen, Essays und Theaterstücke). Kratochvil, in den 1990er-Jahren als der führende Repräsentant der tschechischen Postmoderne bezeichnet, wurde mit bedeutenden Literaturpreisen wie etwa dem Jaroslav-Seifert-Preis ausgezeichnet. Bei Braumüller erschienen: 'Brünner Erzählungen' (2009), 'Das Versprechen des Architekten' (2010), 'Femme fatale' (2011) sowie 'Gute Nacht, süße Träume' (2015)