Auch wenn Thomasine Gyllembourg einen festen Platz in der dänischen Literaturgeschichtsschreibung einnimmt, kreist die Forschung noch immer um zwei recht vorhersehbare Themenkomplexe. Zum einen sind ihre Texte als paradigmatische Beispiele für die Poetologie eines frühen ?poetischen? Realismus interpretiert worden. Zum anderen sind Fragen des weiblichen Schreibens oder gendertheoretische Überlegungen an ihre Texte herangetragen worden. Auch wenn beide Aspekte wichtig sind, präsentiert dieser Band Lektüren, die über diesen Horizont hinausgehen. Die Beiträge zeigen, wie früh sich Gyllembourg in ihren Novellen auf zeit-, ding-, wissens- und medientheoretische Fragestellungen eingelassen hat, die noch heute in den Kulturwissenschaften diskutiert werden. Die Aufsätze belegen somit exemplarisch, über welche Aktualität die Literatur des Biedermeiers verfügt, wenn man sie mit frischen Fragestellungen konfrontiert. Um Gyllembourgs Aktualität zu unterstreichen, enthält dieser Band außerdem eine frühe Übersetzung von Familien Polonius, die Erich Glawe 1909 publiziert hat; so wird eine der wenigen auf Deutsch verfügbaren Texte der dänischen Autorin wieder für ein breiteres Lesepublikum zugänglich.

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