Drei Lebende, drei Tote

Auf der falschen Seite Es ist der 10. März 1946, die italienischen Frauen gehen zum ersten Mal wählen, als sich am Bahnhof von Florenz zwei junge Menschen begegnen. 'Ich war bei den Partisanen', sagt er zu ihr, 'und ich habe niemanden mehr.' Ende der fünfziger Jahre sind Aurora und Modesto ein kinderloses Lehrerehepaar; dem ermatteten Alltag entfliehen beide mit einer Liebschaft. Eines Tages erhält Modesto einen anonymen Brief, der einen 'alten Fehler' heraufbeschwört, und ist sichtlich aus der Fassung gebracht. Erst verbarrikadiert er sich im Klassenzimmer, als man ihn nach Hause schickt, kauft er sich ein Paar Lederstiefel und tritt eine Reise in die Vergangenheit an, bei der ein Geräteschuppen in den Abruzzen, ein dressiertes Äffchen, ein Onkel im schwarzen Hemd, ein müder Gaul im Schnee, eine schallende Ohrfeige und ein anderes Paar Stiefel, das in einer sibirischen Hütte den Besitzer wechselt, eine Rolle spielen. Ruska Jorjoliani, italienische Autorin mit georgischen Wurzeln, legt in ihrem so vielschichtigen wie ironisch-scharfsinnigen Familienroman Spuren in die bewegte Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, Spuren, die sich kreuzen, umkreisen, manchmal auch verfehlen, aber nach und nach den Boden der Gegenwart untergraben.

Ruska Jorjoliani wurde 1985 in Mestia, Georgien, im Großen Kaukasus geboren. Anfang der neunziger Jahre flüchtete die Familie vor ethnischen Säuberungen nach Tiflis, wo Ruska Jorjoliani, nach regelmäßigen Aufenthalten bei einer Gastfamilie in Palermo, das italienische Gymnasium besuchte. Seit 2007 lebt sie in Palermo und hat dort ein Philosophiestudium abgeschlossen. Als sie mit italienisch verfassten Gedichten einen Literaturwettbewerb gewinnt, entscheidet sie sich, auf Italienisch zu schreiben. 'Drei Lebende, drei Tote' ist nach 'Du bist in einer Luft mit mir' (Preis der Hotlist 2016) ihr zweiter Roman und hat in Italien für Aufsehen gesorgt.