Edwins Angst

Edwin, ein kleiner Junge, betritt einen Laden. Er ist ängstlich. Er hat den Laden noch nie zuvor wahrgenommen. War der Laden neu? Oder hatte er ihn einfach immer übersehen? Edwin schaut sich um. Der Laden kann nicht neu sein, denn es riecht sehr alt, nach vergangenen Zeiten. Edwin wundert sich. Die endlos in die Höhe ragenden hölzernen Wände des Ladens bestehen aus Myriaden kleiner Schubfächer, jedes mit einem kleinen Namensschild versehen. "Was sie wohl beinhalten?" fragt sich der Junge. Er schaut sich weiter um. Es gibt nicht viel in dem Laden. Nur eine alte, verwaiste Ladentheke; dahinter eine Nebentür, verhangen durch einen schweren Vorhang. Nach dem Verklingen der Türglocke erscheint niemand sonst, kein Verkäufer, niemand. Edwin ist allein. Denkt er. Nur der Leser kann die Worte der anderen Stimme vernehmen. Vorerst. Was macht Edwin in dem Laden? Wieso hat er solche Angst? Aber neugierig ist er auch. Dann erscheint die Stimme. Edwin erschrickt, er dachte sich allein im Laden. Es ist die Stimme einer alten Frau. Und nur die Stimme. Wer ist sie? War sie schon immer da? Wieso gibt sie sich nun erst zu erkennen? Sie redet mit Edwin. Sie reden darüber, wozu er im Laden ist, sie reden über die Schubladengeschichten, sie reden über den Laden und den Raum, den er darstellt, sie reden über Zeit, das Altern, über Vergängnis, über den Tod und das Sterben, über das Danach und über Ewigkeit. Edwins Leib ist nun der eines Greises. Und es ist Zeit, spürt Edwin. Er muss sich entscheiden. Dazu ist er im Laden: um eine Entscheidung zu fällen. Fliehen kann er nicht vor ihr, nicht mehr. Er muss den Vorhang öffnen, um zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Was er auf der anderen Seite findet, hätte er nicht für möglich gehalten.