Eine seltsame Frau

Die neunzehnjährige Studentin Nermin erfährt am eigenen Leib, was es bedeutet, erwachsen zu werden in einer Gesellschaft, die ihr ein traditionelles Frauenbild entgegenhält. Die Mutter keift, wenn sie zu spät nach Hause kommt, und verlangt Keuschheit bis zur Hochzeit. Also muss sie lügen und sich verstecken, wenn sie, wie all ihre Freundinnen, zu den Tanzpartys geht, sich verliebt, Liebeserklärungen entgegennimmt und abwehrt. Die Erkundung ihres Ichs geht einher mit der Erforschung der Stadt. In den Istanbuler Cafés und Künstlerkneipen sucht sie Inspiration und Offenheit. Doch die etablierten Literaten verweigern ihr als Frau die intellektuelle Anerkennung. Sie schließt sich den linken Gruppen an. Doch bald spürt sie, die Hinwendung zum »Volk« ist abstrakt, einengend und trügerisch. Aber Nermin gibt die Hoffnung auf eine humanere Welt nicht auf. Dieser Erstling brach durch seine offene Form und seine skandalöse Respektlosigkeit alle Tabus und wurde zum Skandal - aber auch zum Aufbruch der modernen Frauenliteratur in der Türkei.

Leylâ Erbil, geboren 1931 in Istanbul, studierte englische Philologie an der dortigen Universität. Eine Zeit lang arbeitete sie am Türkischen Generalkonsulat in Zürich. Für die Türkische Arbeiterpartei engagierte sie sich im Bereich von Kunst und Kultur, bevor sie sich schließlich ganz dem Schreiben widmete. Leyla Erbil gilt als Pionierin der Frauenliteratur. In ihrem Werk experimentierte sie immer wieder mit neuen Erzähltechniken. Sie starb 2013 in Istanbul.