Eine trostlose Wirklichkeit

Dem griechischen Roman und insbesondere dem frühneuzeitlichen Abenteuerroman haftet das Bild einer idealisierenden Gattung an, deren schöne und vorbildliche Heldinnen und Helden durch exotische Welten reisen und nach vielen Irrwegen ihren Liebestraum glücklich erfüllen. Die Untersuchung der spanischen novelas bizantinas, die an Heliodor und Achilleus Tatios modelliert sind, relativiert dieses eskapistische Genrebild.

Viele der Texte spielen in einer vertrauten europäischen bis iberischen Geografie und verweisen auf die zeitgenössische Realität, in der allerdings nicht das Märchenhafte der romance, sondern eine Atmosphäre der Unsicherheit und Prekarität des menschlichen Schicksals herrscht: eine trostlose Wirklichkeit. Zentral für diese Neudefinition des Musters war Lope de Vegas bislang wenig beachteter Roman El peregrino en su patria, der zwischen Einhaltung und Herausforderung des Wahrscheinlichkeitsgebots neoaristotelischer Wirkungspoetiken den Akzent auf die Destitution des Helden legt, der unterhaltsamen Handlungsführung der Aithiopika eine eigenartige Dimension ethischer Reflexion verleiht und damit das Profil einer novela helenizante de peregrinación auf den Punkt bringt.



Paolo Brusa studierte Philosophie und Romanische Literaturwissenschaft an der Università Ca' Foscari zu Venedig, an der Freien Universität Berlin und an der Université Lyon 2 Lumière. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, wo er im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe 2305 'Diskursivierungen von Neuem' promoviert wurde. Seine Forschungsschwerpunkte sind der spanische Roman des Siglo de Oro, frühneuzeitliche Poetiken und Gattungstheorie.

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