Elias in 'Schlafes Bruder'. Selbstbestimmtes Handeln oder Wahnsinn?

Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1, Technische Universität Berlin, Veranstaltung: PS Psychische Störungen in literarischer Darstellung, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Text ,,Schlafes Bruder' von Robert Schneider stellt die Lebensgeschichte des unglücklichen Liebenden und genialen Musikers Johannes Elias Alder dar. Dieser lebt vollkommen selbstverständlich mit der künstlerisch einzigartigen Gabe, geradezu intuitiv und in virtuoser Weise mit Musik umgehen zu können, ohne sich ihrer jemals als etwas Besonderes oder gar Geniales bewußt zu werden, geschweige denn sie zur Professionalität ausbilden zu können. Daran gehindert wird er vor allem dadurch, daß die Bewohner des Dorfes Eschberg, in dem er sein Leben verbringt, sich nur mit sich selbst und ihren eigenen Problemen beschäftigen. Sie haben nie gelernt, sich anderen Menschen mitzuteilen, weshalb das gesamte Dorf durch extreme Kommunikationsarmut gekennzeichnet ist. Humanistisch-intellektuelle Aufklärung und Industrialisierung haben Eschberg niemals erreicht. Es herrschen immer noch die gleichen rauhen, archaischen Sitten, die strengen gesellschaftlichen Konventionen, der dogmatische gleichzeitig aber auch pragmatische Gottesglaube und die rohe und rücksichtslose Art, miteinander umzugehen, wie seit eh und je. Alles zeichnet sich dadurch aus, daß keinerlei Entwicklung stattfindet. Weder bei den Dorfbewohnern, noch in bezug auf die Geschichte des Dorfes selbst. Alle Ereignisse, Handlungen und Aussagen wiederholen sich immer und immer wieder. Statt Entwicklung findet nur ein ewiger Kreislauf statt. In diesem Umfeld von Ignoranz, Neid, Unverständnis und allgemeiner Unreflektiertheit, scheint Elias, der sich von allen anderen Figuren unterscheidet und dem es durch seine geniale musische Schöpferkraft möglich sein sollte, sich aus diesem Kontext zu lösen, erst recht zum Scheitern verurteilt zu sein. Er ist einerseits zu genial, um in diesem Dorf existieren zu können, andererseits jedoch zu sehr durch die Umstände und seine grenzenlose, unglückliche Liebe zu seiner Cousine Elsbeth determiniert, um sich daraus lösen zu können. Im folgenden Text werde ich den Fragen nachgehen, ob der Tod des Elias als unumgängliches Scheitern eines psychisch völlig verwirrten Menschen gesehen werden muß, der keine eigene Entscheidungskraft mehr hatte, oder ob dies vielleicht eher der Ausdruck von Selbstfindung und konsequentem, selbstbestimmten Handeln war. Dazu werde ich zunächst den Kontext des Protagonisten, also das Dorf mit seinen Bewohnern analysieren und anschließend genauer untersuchen, wie Elias durch sein Umfeld beeinflußt und determiniert ist und auf welche Weise er damit umgeht.