Erkenntnistheoretisches im Zhuangzi

Inhaltsangabe:Einleitung: „Wo finde ich einen Menschen, der die Worte vergißt, auf daß ich mit ihm reden kann?“. Als Student der Philosophie und der Sinologie kommt man nicht umhin, sich mit dem Buch Zhuangzi auseinander zu setzen. Es ist zum einen eines der wichtigsten Werke der chinesischen Kulturgeschichte und nimmt zum anderen auch weltweit in der Philosophiegeschichte eine hervorragende Stellung ein, wobei der Kontrast zwischen diesem Werk und den klassischen Werken der Philosophiegeschichte Europas kaum größer sein könnte. Meine Neigung, mich mit dem Zhuangzi intensiver zu beschäftigen, rührte aus einem Unbehagen, dass in der offiziellen europäischen Philosophie bestimmte Fragen, die mich faszinierten, ausgeklammert blieben oder auf eine Weise bearbeitet wurden, die an dem für mich Wesentlichen vorbeigingen. Solche Fragen entstammen dem Grenzbereich zwischen der Philosophie und der Religion, der Mystik, Fragen nach dem Ganzen, nach dem Sinn. Wie man die Frage beantwortet, ob es einen größeren Zusammenhang, etwas Umfassenderes gäbe, das das individuelle Leben übersteigt und wie man nach diesem so schwer Fassbaren überhaupt fragen kann, ist eminent von Bedeutung für die alltägliche Lebensgestaltung, insbesondere für die Bewältigung von Krisensituationen. Philosophie sollte meines Erachtens dieses Orientierungswissen bereitstellen - um es mit den Worten von Hermann Schmitz zu sagen: „Philosophie ist: Sichbesinnen des Menschen auf sein Sichfinden in seiner Umgebung.“ Während die europäische Substanzontologie dazu neigt, die Dinge und Phänomene der Lebenswelt zu isolieren, herrschte in der chinesischen Philosophiegeschichte das kontextuelle, relationale Denken vor. Um es mit anderen Worten zu sagen: Das Einzelne erfährt dort seine wesentliche Prägung durch die übergreifende Situation. Diese Ontologie legt es wahrscheinlich nahe, nachzudenken über die Einbettung des Menschen in das große Ganze und darüber, was die alles umfassende übergreifende Situation ist. Wobei Konfuzius allerdings nicht an das Unsagbare rühren wollte und sich deshalb nur mit der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens befasste: „Wer vom Leben noch nichts weiß, wie sollte der den Tod kennen!“. Damit steht dieser den europäischen Philosophen zumindest näher als Zhuangzi oder Laozi, der legendäre Verfasser des Daodejing. Die beiden großen Daoisten waren davon überzeugt, dass sich über das Dao, das Umfassende, nicht reden lässt und haben doch viele Worte gemacht, um den [...]