Evangelienexegese als Partiturlesen

Antike griechischsprachige Literatur war in der Regel Klangkunst - die Werke wurden vor Publikum vorgelesen. Solche Texte führten ein Doppelleben: Sie waren schriftlich fixiert und wurden immer wieder neu akustisch realisiert. Darin sind sie musikalischen Kompositionen vergleichbar, mit denen sie sich auch ihre formalen Hauptmerkmale Wiederholung und Variation teilen. Christine Oefele macht sich das Konzept des Partiturlesens zunutze, um im Anschluss an Hans Robert Jauß eine Hermeneutik zu präsentieren, die bei der Interpretation der Evangelien von deren akustischer Gestalt ausgeht. Im Rückgriff auf musikwissenschaftliche Methoden entwickelt sie die Repetitionsanalyse, mit der sie die Komposition des Markusevangeliums untersucht und beschreibt. Auf dieser Basis kommentiert sie dessen erste Hälfte, wobei die schrittweise Entwicklung und die Interdependenz der markinischen Hauptthemen Christologie und Nachfolge deutlich werden.

Geboren 1968; seit 1990 Berufstätigkeit als Musikerin, Musiklehrerin, Chorleiterin und Dozentin in den Bereichen Kirchenmusik und Theologie; 1992 Abschluss als staatlich geprüfte Musiklehrerin; 2010 Bachelor of Theology, 2012 Master of Theology, 2018 Promotion zur Dr. theol. an der Universität Basel; 2013-18 Assistentin für Neues Testament an den Universitäten Bern und Basel; seit September 2018 Lehrbeauftragte für Hymnologie und Liturgik an der Hochschule der Künste Bern; seit Dezember 2018 Beauftragte für Gottesdienst und Musik in der Fachstelle Theologie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und Postdoc am Institut für Neues Testament an der Universität Bern.