Experimentelle Erfahrung

Es ist ein wissenschaftstheoretischer Gemeinplatz, daß physikalisches Wissen in Experimenten gebildet und durch Experimente getestet wird. Um so auffälliger ist es daher, daß sich die moderne Wissenschaftstheorie fast ausschließlich mit den Problemen der quantifizierenden Begriffs- und der mathematisierenden Theoriebildung in der Physik befaßt hat, während sie dem Experiment nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die diesem Zentralaspekt physikalischer Wissensbildung seiner Bedeutung nach eigentlich zukommt. Dieses Defizit der modernen Wissenschaftsphilosophie möchte die vorliegende Studie beheben. Die wissenschaftstheoretisch vorherrschende Auffassung des Experiments läßt sich in der Formel ¿Experiment = theoriegeleitete Beobachtung¿ zusammenfassen. Dem setzt die Studie von Tetens eine Deutung des Experiments entgegen, wonach experimentelle Erfahrung ein Wissen ist, das an Apparaten durch technisch-intervenierendes Handeln gewonnen wird. Von diesem Ausgangspunkt aus gelingt es, zunächst einmal den Anschluß an das ursprünglich von G. H. von Wright entwickelte Konzept der experimentalistischen Kausalität zu finden, um dann die Theorie der ¿Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme¿ von Imre Lakatos wesentlich zu präzisieren und so weit fortzuführen, daß zentrale formale Eigenschaften der mathematischen theoretischen Physik aus der Idee der experimentellen Erfahrung methodologisch hergeleitet werden können. Im Lichte dieser allgemein wissenschaftstheoretischen Erwägungen werden dann die klassische Mechanik und Elektrodynamik rekonstruiert und die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie in neuartiger Weise interpretiert.

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