Formen des Grandiosen

Der Terminus „grandios" wird meist einseitig im Sinne von großartig, gesteigert, unübertrefflich benutzt, und darüber wird vergessen, daß es auch negative Spielarten von Grandiosität gibt. Daß sich positive und negative Grandiosität häufig nebeneinander nachweisen lassen, wird an literarischen Beispielen aufgezeigt - unter anderem einer Szene aus Goethes „Faust II" und aus Kafkas Tagebüchern. Des weiteren wird eine bestimmte Motivlinie innerhalb der angloamerikanischen Literatur untersucht und ein Zusammenhang festgestellt zwischen negativer Grandiosität und dem Bedürfnis des Dichters, sich mittels der Dichtung von einem auf ihm lastenden Fluch zu befreien. In ihrer Erbarmungslosigkeit weist die negativ-grandiose Optik eine phänomenologische Verwandtschaft mit der spezifischen Sehweise des Faschismus auf, die ebenfalls kein Erbarmen kennt und keine Schwäche zuläßt. Überschneidungen, aber auch grundsätzliche Unterschiede zwischen den beiden Perspektiven werden herausgearbeitet. Es wird plädiert für eine differenziertere Betrachtungsweise grandioser Phänomene, sei es im literaturanalytischen oder im klinisch-therapeutischen Bereich.