Freud der Ägypter: Eine Spurensuche. Überlegungen zum Verhältnis von Bild und Schrift

Freud hat auffällig häufig und an durchaus zentralen Textstellen den Traum (und auch die hysterische Symptomatik) mit der Bilderschrift der Hieroglyphen verglichen. Dieser Vergleich ist nur verständlich vor dem Hintergrund der Entzifferung der Keilschriften im 18. Jahrhundert, so der Hieroglyphen durch Champollion 1822. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß diese Übersetzung nur aufgrund einer dreisprachigen Inschrift gelingen konnte („Stein von Rosette"), so wie es im „psychischen Apparat" auch „mindestens drei Niederschriften" (Freud) gibt. Eine genauere Analyse der Hieroglyphenschrift zeigt ihre innige Verwandtschaft zur hebräischen Schrift. In beiden Schriftformen ist Lesen ein Vokalisieren, eine Sinngebung und damit immer schon ein Interpretieren. Der Sinn eines Textes, eines Traumes oder eines Symptoms kann so niemals ein für allemal festliegen oder fest-gestellt werden; er steht, da er entstellt ist, im prinzipiell offenen Horizont der Wahrheit. Wenn Freud über den Traum als einer Hieroglyphenschrift spricht, so betont er also gerade das Moment, was in der jüdisch-rabbinischen Tradition Textarbeit überhaupt ausmacht. Es ist hier wie in seiner Schrift Der Mann Moses und die monotheistische Religion, in der die Übernahme eines ägyptischen Monotheismus durch Israel behauptet wird. Das Ägyptische wird dadurch selbst zu einer Art Hieroglyphe, zu einer Chiffre für das Jüdisch-Hebräische nämlich und damit für eine historisch verworfene Form der Hermeneutik. Überlegungen zum Verhältnis von Bild und Schrift, das Freud seit den Studien über Hysterie beschäftigt hat, sowie zum hebräischen Bilderverbot beschließen den Artikel.

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