Nach einer langen Phase der Verdrängung ist Deutschland nun ,Weltmeister der Vergangenheitsbewältigung' und hat das ,dunkle Kapitel' seiner Geschichte erfolgreich in das Masternarrativ einer vereinigten bundesrepublikanischen Identität integriert. Mit der heutigen Erinnerungskultur ist zugleich ein Ort geschaffen, an dem über gegenwärtigen Antisemitismus und Rassismus diskutiert wird, als fänden sie in luftleeren Räumen statt. Wir leben in einer Gegenwart, in der das Gedenken an die Shoah zwar Staatsräson ist, selbstbestimmte Erinnerung aber erkämpft werden muss. In der Opfergruppen vergessen und diskriminiert werden. In der die Vergangenheit instrumentalisiert wird, um Migrant*innen auszugrenzen. Vor diesem Hintergrund sind Jüdinnen und Juden mit der Erwartung einer deutschen Dominanzgesellschaft konfrontiert, den sonderbaren deutschen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu bestätigen. Jüdisch-deutsche sowie innerjüdische Widersprüche können nicht thematisiert werden, Kontinuitäten rechter und antisemitischer Gewalt bleiben unbenannt. Wie aber wirkt die Vergangenheit in die Gegenwart hinein? Wer erinnert sich (nicht) und wer wird (nicht) erinnert? Inwiefern kann von einem kollektiven Gedächtnis gesprochen werden, wenn es um die Entlastung der deutschen Täter*innengesellschaft geht, die sich jüdischer und migrantischer Positionen lediglich bedient, um die eigene Gutwerdung zu inszenieren? Auf welche Weise liegt in dem Konzept postmigrantischer Gesellschaften die Chance für eine Intervention?

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