Gemeinschaft und Gesellschaft: Über die Schwierigkeiten einen Unterschied zu machen.

Als Klassiker der Soziologie bewahrt der kulturelle Diskurs die Werkspur von Ferdinand Tönnies. Nach der von Frank Osterkamp durchgeführten Interpretation ist der einzelwissenschaftliche Soziologe Tönnies jedoch erst das Ergebnis der einsichtsvollen Selbstverwandlung eines systematisch arbeitenden, wissenschaftstheoretisch, erkenntnisanthropologisch und evolutionstheoretisch argumentierenden Philosophen. Die Rekonstruktion zeichnet das bisher ungemalte Bild eines der kreativen Forschungsphilosophen der Epochenschwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Zug um Zug tritt das Spannungsgefüge einer Theorielandschaft hervor, die sich als Themenmatrix der Philosophie des 20. Jahrhunderts entpuppt. Ausgangspunkt ist eine problemorientierte Sichtung der Tönnies-Forschung. Im Zentrum der anschließenden Darlegungen stehen u. a. Tönnies' wissenschaftstheoretischer Konstruktivismus, das Prekärwerden der Stellung der Philosophie im Verhältnis zu den Wissenschaften, seine doppelparadigmatische 'psychische Anthropologie', die Nachkonstruktion zweier Modellvarianten der Theorie von Gemeinschaft und Gesellschaft, eine bisher weitgehend außer acht gelassene Sprachtheorie und die weltbildgeschichtlich reinterpretierte Operationalisierung des Grundrisses zwischen einer atomar-nominalistischen und einer holistisch-prozessualen Erklärungsontologie moderner Wissenschaft.