'Geronnene Zeit' und/oder 'Blick in die Tiefe der Zeit'?

Studienarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Kunst - Fotografie und Film, Note: 1, Universität Wien (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte/Institut für Philosophie), Veranstaltung: Interdisziplinäres Seminar 'Zwischen Zeit und Ewigkeit', Sprache: Deutsch, Abstract: Ausgehend von einer Aussage Kurt Weis', mit dem Aufkommen der Fotografie habe eine ganz neue Codierung von Zeit begonnen, geht diese Arbeit der Frage nach, was diese Erfindung zu ihrer Zeit bedeutete und welche Veränderungen sie mit sich brachte. Zur Erfindung der Fotografie mussten Kenntnisse aus zwei Wissenschaften kombiniert werden: aus der Physik/Optik zur Herstellung der Kamera und aus der Chemie zur Fixierung des Bildes. Die ersten Verfahren, die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden, waren Positivverfahren, mit denen nur Unikate hergestellt werden konnten. Sie wurden in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre von der Fotografie im engeren Sinn verdrängt, die mit einem Negativverfahren arbeitete und damit die Herstellung vieler Kopien ermöglichte. Die ersten Belichtungszeiten waren noch sehr lang. Erst ab Anfang der 1850er Jahre waren die technischen Voraussetzungen für die sogenannte 'Momentaufnahme' erfüllt. Während bisher hauptsächlich Portraits gemacht bzw. Architektur, Stilleben u. ähnl. abgebildet wurden, konnte sich nun auch die sogenannte 'Dokumentarfotografie' entwickeln. Die ersten ausführlichen Kriegsberichte erschienen aus dem Krimkrieg 1853 - 1856; später dann aus dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865). Eine äußerst wichtige Entwicklung stellten auch die systematischen Bewegungsstudien dar, die in den 1870er und 1880er Jahren begannen. In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass die Fotografie und ganz besonders die Bewegungsaufnahmen die menschliche Wahrnehmung wesentlich verändert haben. Dabei wird verschieden argumentiert. Wo die Fotografie mit Gemälden oder Zeichnungen verglichen wird, herrschen negative Aussagen über die Fotografie vor. Die Fotografie gilt dann als etwas Erstarrtes, Totes, Unnatürliches, Unmenschliches, etwas, das nicht die 'wirkliche Realität' wiedergibt. Die Vertreter einer anderen Argumentationskette sind von der Entwicklung der neuen elektronischen Medien fasziniert und sehen darin eine fast unbeschränkte Verfügbarkeit über Zeit und Raum. Vergangenheit und Zukunft würden zu Gegenwart, die Zeit 'schrumpfe'; mit der Fotografie habe diese Entwicklung begonnen. Andere wiederum betonen die große Möglichkeit der Meinungsbeeinflussung durch die Art der Darstellung und die Auswahl der Bilder. Jedenfalls hat die Erfindung der Fotografie wesentliche Veränderungen eingeleitet, die möglicherweise noch gar nicht abgeschlossen sind.

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