Gespenstergeschichten

Welchen Stellenwert nimmt die Rote Armee Fraktion innerhalb der deutschen Geschichte ein? Eignet sie sich als Prisma für ein Nachdenken über Kunst, Trauma und Erinnerung nach 1945? Und was gibt sie uns über die deutsche Gesellschaft, ihre bewussten und unbewussten Mechanismen der Selbstverständigung zu verstehen? Svea Bräunert nähert sich diesen und weiteren Fragen über die Kunst: Literatur, Film und bildende Kunst haben sich von Anfang an von der RAF angesprochen und herausgefordert gefühlt. Mit dem Linksterrorismus greifen sie ein Thema auf, das eine breite Palette an historischen, politischen, medialen und mnemonischen Fragestellungen eröffnet. Neben kanonischen Positionen von Richter, Kluge und Enzensberger werden zur Betrachtung derselben auch neuere Arbeiten von Demand, DeLillo und Dumas herangezogen. Die Beschäftigung mit den künstlerischen Ansätzen steht im Kontext eines thematisch-theoretischen Nachdenkens über die RAF, das den Linksterrorismus als eine besondere Form des Traumas begreift und das Gespenst als Ausdruck dieser Besonderheit stark macht. Das Gespenst ist die Gestalt, die ein Trauma dennoch annehmen kann, obwohl es sich eigentlich jeder Form von Darstellung entziehen müsste. Möglich wird dies durch seinen metonymischen und nachträglichen Impuls. Er erlaubt es dem Gespenst, etwas auf verschobene Weise zur Anschauung zu bringen, was sonst ungesehen oder unausgesprochen bleiben müsste. Indem das Buch diese Verschiebungen nachvollzieht, leistet es ebenso einen Beitrag zur Kulturgeschichte der Bundesrepublik wie zur erinnerungstheoretischen Diskussion.

Dr. Svea Bräunert ist Postdoktorandin am DFG-Graduiertenkolleg 'Sichtbarkeit und Sichtbarmachung' der Universität Potsdam. Sie hat Neuere deutsche Literatur, Kulturwissenschaft und Neuere/Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert, wo sie 2013 mit der vorliegenden Arbeit promoviert wurde. Zuvor war sie Fulbright Stipendiatin an der Washington University in St. Louis und Schurman Assistentin an der Cornell University. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Literatur, Film und bildende Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, Erinnerungs- und Trauma-Forschung, Medientheorie sowie Gender Studies.