Goethes Gegenwart

Das Zeitalter der europäischen Revolutionen bildet den Erfahrungshorizont von Goethes Leben und den Bezugsrahmen seiner Werke, allen voran der Fausttragödie. Dem geschichtsphilosophischen Bewusstsein seiner Zeit, ihrem charakteristischen Prozessdenken, begegnete Goethe freilich mit der polemisch gestimmten Selbstwahrnehmung der eigenen Unzeitgemäßheit. Sie gewinnt ihren prägnanten Ausdruck in einem mit maximaler Bedeutungsfülle aufgeladenen, der Mystik des Nunc stans sich öffnenden kontemplativen Begriff der Gegenwart. Als solche ist sie der mit der Fortschrittsidee verbundenen modernen Negations- und Bewegungsfaszination entgegengesetzt und steht als Rohstoff für Zukunftsproduktion nur um den Preis einer veritablen Tragödie zur Verfügung. Ausgehend von der Darstellung dieser tragischen Konstellation im Faustdrama, fassen die in dem Band versammelten Studien zunächst Goethes Position auf dem ideengeschichtlichen Terrain des 19. Jahrhunderts ins Auge, verfolgen dann seine Spur im globalen ideologischen Gefecht des 20. Jahrhunderts und stellen schließlich Goethes ästhetische und naturphilosophische Prinzipien seiner - unterdessen aktuell anmutenden - Kritik der Geschichtsphilosophie zur Seite.

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